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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Nase, die ihr das Aussehen einer Eule verlieh. Sie trug immer einen Wollrock und eine Bluse, oft eine Strickjacke dazu, die sie zur Hälfte zuknöpfte, und weiche, schwarze Schuhe, die an Pantoffeln erinnerten. Freundlich, aber entschlossen nahm sie ihre Pflichten wahr - die darin bestanden, aus diesen nur schlampig gesägten Holzscheiten etwas herauszuschnitzen, was in der schwedischen Gesellschaft zurechtkommen würde.
    Zuerst mussten alle an die Tafel gehen und ihren Namen aufschreiben. Einige konnten es, andere nicht. Auf der Grundlage dieses wissenschaftlichen Tests teilte die Lehrerin die Klasse in zwei Gruppen ein, die Eins und Zwei genannt wurden. In Gruppe Eins landeten die, die die Prüfung bestanden hatten, die meisten der Mädchen sowie ein paar Beamtensöhne. In Gruppe Zwei landete der Rest, darunter ich und Niila. Und auch wenn wir erst sieben Jahre alt waren, saß der Stempel doch genau dort, wo er sitzen sollte.
    Ganz vorn an der Decke hingen die BUCHSTABEN. Eine erschreckende Armee von Biegungen und Pfosten, von einer Wand bis zur anderen. Sie waren es, die wir einen nach dem anderen besiegen sollten, flach auf den Rücken in unser Schreibheft legen und zwingen, uns zu gehorchen. Wir bekamen auch Stifte und Kreide in einer Pappschachtel und ein Lesebuch über Li und Lo und eine steife Pappscheibe mit Wasserfarben-bröckchen, die aussahen wie bunte Karamellbonbons. Dann begann die Arbeit. Das Bankfach sollte mit Papier ausgelegt werden, die Bücher eingeschlagen, und es gab ein lautes Rascheln von Wachspapierrollen, die wir von zu Hause mitgebracht hatten, und ein eifriges Klappern stumpfer Schulscheren. Zum Schluss wurde der Stundenplan auf die Innenseite des Pultdeckels geklebt. Niemand verstand all diese mysteriösen Zeichen, aber der Stundenplan gehörte dazu, er war ein Teil von ZUCHT und ORDNUNG und bedeutete, dass die Kindheit vorbei war. Ab jetzt gab es die Sechs-Tage-Woche in der Schule von Montag bis Samstag, und am siebten Tag gab es für die, die immer noch nicht genug hatten, die Sonntagsschule.
    Zucht und Ordnung, wie gesagt. Sich in die Schlange vor der Klassenzimmertür stellen, wenn es zur Stunde läutete. In Reih und Glied in die Schulkantine gehen, mit dem Fräulein an der
    Spitze. Die Hand heben, wenn man etwas sagen will. Die Hand heben, wenn man pinkeln muss. Die Löcher im Papier zum Fenster hin drehen. In die Pause gehen, wenn es klingelt. Sofort hereinkommen, wenn es wieder zur Stunde klingelt. Alles befohlen mit der gleichen ruhigen schwedischen Freundlichkeit, nur selten kam es vor, dass einem Frechdachs in der Zweiergruppe der Schopf von kräftigen Fräuleinfäusten gelupft wurde. Wir mochten unsere Lehrerin. Sie wusste wirklich, wie man erwachsen wird.
    Ganz vorn am Lehrerpult stand die braune Pedalorgel. Sie wurde bei der Morgenandacht benutzt, bei der die Lehrerin sich auf den Hocker setzte und anfing zu treten. Ihre dicken Waden spannten sich in den beigefarbenen Kniestrümpfen, ihre Brille beschlug, sie spreizte ihre runzligen Finger über den Tasten und gab den Ton an. Ein zitternder Altfrauensopran mit strengem Seitenblick, um zu überprüfen, ob auch alle mitsangen. Das Sonnenlicht aus den Sprossenfenstern, golden und warm schien es über die nächststehenden Bänke. Kreidegeruch. Die Landkarte von Schweden. Mikael, der oft Nasenbluten hatte und dann mit zurückgelehntem Kopf und einem Stück Küchenrolle dasaß. Kennet, der nie wirklich still sitzen konnte. Annika, die flüsterte, wenn sie reden sollte, und in die alle Jungs verliebt waren. Stefan, der verdammt gut im Fußballspielen war, sich aber drei Jahre später an einem Baum auf der Skipiste Yllästunturi zu Tode fahren sollte. Und Tore und Anders und Eva und Äsa und Anna-Karin und Bengt - und wir alle anderen.
    Genau wie Pajalabo war man unterlegen, das wurde gleich als Erstes festgestellt. Im Atlas kam Skane zuerst, in einem besonders großen Maßstab gedruckt, vollkommen verschwunden unter roten Strichen, die Straßen bedeuteten, und schwarzen Punkten, die Ortschaften markierten. Dann kamen die anderen Gebiete in normalem Maßstab, immer weiter nach Norden, je länger man blätterte. Und ganz zum Schluss kam Norra Norr-land, gedruckt in einem besonders kleinen Maßstab, damit auch alles Platz hatte, und trotzdem gab es dort kaum Striche oder Punkte. Fast ganz oben am Rand der Karte lag Pajala, umgeben von braunfarbener Tundra, und dort wohnten wir. Blätterte man zurück, sah man, dass Skane ebenso groß

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