Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
angesehen und zum Flößen nur zum halben Lohn eingestellt wurde, der aber bereits in der ersten Nacht auf eigene Faust einen Hundertmeterholzstau bei Tronen löste. Ja, so war es nun mal mit unserer Familie, derartig kräftige, ausdauernde, starrköpfige, geduldige und vor allem bescheidene Arbeiter waren im gesamten finnischsprachigen Gebiet noch nie gefunden worden. Darauf stießen die Brüder lautstark an und erinnerten dann an die Findlinge, die versetzt wurden, die ausgedehnten Moorgebiete, die trockengelegt wurden, die schrecklichen Geduldsproben beim Militär, an den Lastwagen, der einen Motorschaden hatte und die dreißig Kilometer zwischen Pissiniemi und Ristimella mit der Hand geschoben werden musste, die unendlichen Weiden, die in Rekordzeit gemäht wurden, alle schrecklichen Prügeleien, die zu Gunsten der Familie ausgingen, an den 5-Zoll-Nagel, der mit der bloßen Faust eingeschlagen wurde, an den Skiläufer, der gegen den Eisenerzzug gewann, sowie alle anderen unübertroffenen Großtaten, die mit Axt, Hacke, Handpflug, Fuchsschwanz, Spaten, Fischspeer und Kartoffelforke ausgeführt worden waren. Dann prostete man sich wieder zu. Nicht zu vergessen die Frauen der Familie und ihre Taten beim Handmelken, Butter-kärnen, Beerenpflücken, Weben, ungesäuertes Brot backen und Heurechen, die ebensolche unschlagbaren Rekorde auf dem Feld der Frauenarbeiten hervorriefen. Solche arbeitswilligen Weiber fand man außerhalb der Familie nicht. Die Kerle priesen darüber hinaus die eigene Klugheit, weil sie sich ihre Frauen aus Finnland holten, da sie dort zäh waren wie Weiden, geduldig wie Rentiere und schön wie Birkenstämme an blauen Seen, und außerdem hatten sie einen breiten Arsch, der oft und leicht wohlgeratene Kinder gebar.
    Die männlichen Verwandten der Braut hatten währenddessen nach Art der Finnen schweigend dagesessen und waren immer wütender geworden. Der Breiteste und Glatzköpfigste von ihnen, Ismo, stand jetzt auf und sagte, dass er in dieser Gegend seit den Tagen des reaktionären Lappenaufstands nicht mehr solchen Blödsinn auf Finnisch gehört hätte. Mein Vater erklärte daraufhin auf eine herausfordernde Art, die ganz und gar nicht seinen Gewohnheiten entsprach, dass alles, was hier wiedergegeben worden war, allgemein belegten Tatsachen entsprach und dass er, falls andere Familien sich deshalb unterlegen fühlten oder neidisch wären, der Erste wäre, der das bedauere.
    Ismo sagte verbissen, dass kein Mensch mehrere Quadratkilometer Wiese an einem einzigen Vormittag mähen konnte, niemand pflückte hundert Liter Multebeeren in drei Stunden, kein Wesen aus Fleisch und Blut könne einen Elchbullen mit der Faust töten, ihn dann häuten und den Körper mit dem Deckel einer Tabaksdose zerlegen. Onkel Einari, der Älteste der Brüder, sagte finster, dass alle zur Strecke gebrachten Elchbullen nichts waren im Vergleich zu den makellosen Taten, die von den Fäusten der Familie ausgerichtet worden waren, nicht zuletzt bei Hochzeiten, und nicht zuletzt gegenüber breitmäuligen Wichtigtuern, die mit der Behauptung kämen, man würde lügen. Er hätte noch mehr gesagt, gesprächig, wie er plötzlich wurde, wenn ihm seine Frau nicht einfach die Hand auf den Mund gedrückt hätte. Ismo legte seinen Unterarm auf die Tischplatte. Er war massiv wie ein Telefonmast. Dann sagte er, dass Prügeleien schwierig und als Kräftemesser eher zufällig seien, dass aber Armdrücken immer ein schnelles, zuverlässiges Resultat brachte.
    Eine Weile blieb es ganz still. Dann standen die Brüder wie ein einziger Mann auf, auch mein Vater, und alle drängten sich wie schnaubende Bärenmännchen vor. Endlich war Schluss mit dem Geplapper, endlich würde man seine Schwerarbeitermuskeln anspannen und erproben können. Als Erster war Einari dran, er zog sich sein Jackett aus, löste seinen Schlips und krempelte sich die Hemdsärmel hoch. Sein Unterarm war fast ebenso breit wie der seines Widersachers. Kaffeetassen und Schnapsgläser wurden eilig abgeräumt. Die beiden Männer packten einander, die Hände schlossen sich wie Zangen. Ein plötzlicher Ruck ging durch beide Körper, und das Blut stieg ihnen ins Gesicht. Der Kampf hatte begonnen.
    Schon von Anfang an war zu erkennen, dass der Ausgang des Kampfes ungewiss war. Die Arme erhoben sich wie zwei Pythonschlangen mit zitternden Köpfen, fest ineinander verbissen. Ein leises, fast unmerkliches Zittern pflanzte sich durch den Küchentisch bis hinunter in den Holzfußboden

Weitere Kostenlose Bücher