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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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der Eltern füllte sich mit
    Verwandten. Ich sollte bald dreizehn werden und durfte zum ersten Mal mit am Erwachsenentisch sitzen. Eine Mauer schweigender Männer, Schulter an Schulter wie ein Felsblock, und dazwischen ab und zu eine ihrer hübschen Frauen aus Finnland wie Blumen an einer Felswand. Wie üblich in unserer Familie wurde kein Wort gesagt. Man wartete auf das Essen.
    Die Mahlzeit begann mit Knäckebrotscheiben und Lachs. Jeder der Männer drehte das Brot um, damit die Löcher unten waren, bevor er es bestrich. Man wollte Butter sparen, wie sie es von den armen Eltern gelernt hatten. Und dann auf die frisch gestrichenen Scheiben der gebeizte, süßsalzige Lachs, heimlich mit dem Netz im Kardisgebiet gefischt. Eiskaltes Bier. Keine unnötigen Kommentare. Nur das Brautpaar, das an der Stirnseite saß, forderte alle auf, doch noch einmal zuzugreifen. Das Knäckebrotknacken mahlender Stierkiefer, breite, gebeugte Rücken, hochgezogene Augenbrauen und Konzentration. Die helfenden Frauen in der Küche schleppten Platten und Flaschen aus dem Vorratskeller herbei. Die Mutter der Braut, die aus dem finnischen Kolari stammte und deshalb die Sitten der Gegend kannte, sagte, dass sie noch nie erlebt hätte, dass gestandene Mannsleute so wenig aßen, worauf alle eine weitere Portion nahmen.
    Dann kam der Topf mit der Fleischsuppe auf den Tisch, dampfend, als brenne er, mit mürben Rentierstückchen, die den Gaumen streichelten, goldenen Rübchen, kräutersüßen Karotten und buttergelben gewürfelten Mandelkartoffeln in einer kräftigen Brühe, die nach Schweiß und Waldboden schmeckte, auf der das Fett in Kreisen lag wie die Luftringe von Äschen in einer atemlosen Sommernacht. Daneben wurde ein Trog mit frisch gekochten Markknochen gestellt. Die Endstücke waren abgesägt, und Holzspieße lagen daneben, sodass man problemlos das fettgraue Innere herausziehen konnte, lange Markstränge, so zart, dass sie auf der Zunge zerschmolzen. Die Männer lachten zwar nicht, aber sie bekamen einen helleren
    Farbton im Gesicht und seufzten innerlich vor Erleichterung, weil das Essen war, das man kannte und schätzte, Essen, das den Bauch füllte und Saft und Kraft gab. Bei feierlichen Gelegenheiten wie gerade Hochzeiten konnten die zuverlässigsten und vernünftigsten Familienmitglieder ganz verrückte Ideen bekommen hinsichtlich der Ansicht, was etwas taugte und fein genug war, und dann Gras servieren, das als Salat bezeichnet wurde, und Soßen, die nach Seife schmeckten, und viel zu viele Gabeln neben den Teller legen und ein Getränk servieren, das Wein genannt wurde, so sauer und herb, dass die Lippen sich kräuselten und man sonst was für ein Glas Buttermilch gegeben hätte.
    Man fing an zu schlürfen und zu schlingen. Das war ein Geschmatze, das die Köchinnen bis in ihre Seelen hinein erfreute. Man füllte die Mundhöhlen mit in Brühe gewürztem und im Wald gewachsenem Fleisch und Wurzelfrüchten, die in der heimatlichen Erde gewachsen und gereift waren, und spürte, wie das Fett vom Kinn tropfte. Die Helferinnen liefen mit Tellern herum, bis oben hin voll mit frisch gebackenen, ungesäuerten Brotlaiben, denen noch das Aroma von Birkenrauch vom Backofen anhing, ein Brot, noch so heiß, dass die Butterstückchen darauf schmolzen, gebacken aus Mehl aus norrländischem Getreide, das in Wind, Sonne und kräftigem Regen gereift war, ein kräftiges Brot, das ein Bauernmaul in reiner Glückseligkeit innehalten und die Augen nach oben wenden ließ, während die Frauen sich stolz gegenseitig kichernd zuzwinkerten und das Mehl von ihren Teighänden abklatschten.
    Jetzt war der richtige Zeitpunkt für den ersten Schnaps gekommen. Die Flasche wurde sich leise vortastend von der Alten gebracht, die am wenigstens religiös war. Die Männer hielten inne, wiegten sich dann leicht von einer Seite zur anderen und hoben ihre Hintern, wischten sich die Essensreste vom Kinn und folgten der Reliquie mit den Augen. Gemäß den Instruktionen war sie immer noch versiegelt, aber jetzt wurde im Beisein aller der Korken herausgedreht, sodass die Flanschen knackend brachen und alle damit wussten, dass hier gekaufter Schnaps angeboten wurde und kein Selbstgebrannter, hier hatte man also weder Kosten noch Mühe gescheut. Die Flasche beschlug, und die Tropfen klirrten unter andächtigem Schweigen wie Eisperlen ins Glas. Breite Daumen und Zeigefinger umfassten den kleinen, gefrorenen Schluck. Der Bräutigam erließ seinen Brüdern ihre Sünden, worauf

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