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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Buttergebäck, knusprige Brezel, eierzarte Zuckerkuchen, in Fett gebackene Ringe, Biskuitrolle mit himmlischer Brombeerfül-lung, um nur einiges zu nennen. Außerdem kamen bis zum Rand gefüllte Schüsseln mit Schlagsahne und erwärmten eingelegten Multebeeren, die nach Gold und Sonne schmeckten. Porzellantassen klapperten in Mengen, und Kaffee wurde rußschwarz aus riesigen Kesseln ausgeschenkt, die jeder für sich eine größere Gemeinde hätte versorgen können. Goldene Tornedalsche Käselaiber, groß wie Winterreifen, wurden über den Tisch gerollt, mit der größten Finesse in all diesem süßen Überfluss, einem braunen, harten Stück getrocknetem Rentierfleisch. Man schnitt gesalzene Scheiben ab und legte sie in den Kaffee, das Ganze noch mit Käse gemischt, und schob sich weiße Zuckerstückchen zwischen die Zähne. Dann, mit zitternden Fingerspitzen, kippte man etwas auf die Untertasse und schlürfte das Himmelreich in sich hinein.
    Sobald ich Kaffee bekam, war der Brechreiz verschwunden. Es schien mir, als würde alles klarer werden. Eine diesige Regenwolke erhob sich und enthüllte plötzlich die Schönheit der
    Landschaft. Meine Augen fühlten sich wie heiße Ballons an, und ich sah die runden Stierköpfe meiner Onkel zu einer gewaltigen Größe anschwellen. Der Kaffee veränderte seinen Geschmack im Mund, er wurde schwärzer und teeriger. Ich hatte eine unbändige Lust, einfach loszuschreien. Dann musste ich lachen, es nützte nichts, das kam von den Wurzeln hoch und musste heraus. Da kam mir die wunderschöne Finnin wieder vor Augen, und ich dachte an eine Fotze, das kam vollkommen unkontrolliert, und ihre Schönheit war fast traumhaft.
    »Mie uskon että poika on päissä. Ich glaube, der Junge ist besoffen«, sagte sie auf Finnisch mit einer tiefen, leicht heiseren Stimme.
    Alle lachten, auch ich, und das so sehr, dass ich fast vom Stuhl fiel. Dann kaute ich Trockenfleisch und Tornedalschen Käse und kleckerte vom Teller und dachte, ach ja, ach ja, jetzt ist man ein Rennfahrer. Die Brautmutter klagte über die vielen Spatzen am Tisch, die sich weigerten, etwas zu essen, es sei unbegreiflich, wie einer so wählerischen Familie überhaupt hatte gelingen können, sich fortzupflanzen, und dass sie noch nie von einer derartigen Bescheidenheit in der Tornedalschen Großzügigkeit gehört hätte, seit der schwedische König sich geweigert hatte, in Vojakkala Schnaps zu saufen. Alle griffen sofort noch einmal zu. Die Brautmutter rief aus, dass sie sich das Brot woanders reinstopfen könnten, wenn sie weiterhin so lächerlich wenig eintunken würden, auch ihre Geduld habe irgendwann ein Ende. Alle waren jetzt kurz vorm Platzen, die Gürtel wurden aufs letzte Loch gespannt, aber trotzdem wurde noch mehr zum Stippen genommen. Und Kaffeenachschlag und noch mal Kaffeenachschlag. Schließlich war es zu Ende, absolut zu Ende. Ganz unmöglich, auch nur noch einen Krümel runterzukriegen.
    Da wurde mehr Cognac gereicht. Die meisten lehnten dankend ab, außer ein paar finnischen Frauen. Dagegen sagten mehrere zu weiteren Klaren nicht Nein, da doch kirkasta die merkwürdige Eigenschaft hatte, keinen Platz im Magen einzunehmen, sondern im Gegenteil die Verdauung und das Wohlbefinden förderte und die Trägheit vertrieb, die sich gern nach einer zufrieden stellenden Mahlzeit einstellte. Der Bräutigam nickte erneut der am wenigsten gläubigen Alten zu, worauf diese mit allen leeren Flaschen in die Küche ging. Als sie zurückkam, waren diese auf magische Weise wieder gefüllt, aber als ich mein Glas hinhielt, schlug mein Vater mir auf die Hand, dass es brannte.
    Jemand erinnerte sich plötzlich an ein Gesprächsthema, das kurz gestreift worden war, und sofort waren alle Brüder wieder dabei. Erzählten von damals, als das Pferd des Großvaters auf dem Harschschnee zu Schaden kam und er anschließend selbst das Holzfuhrwerk nach Hause zog, das Pferd obendrauf festgespannt. Oder von dem Cousin, der bereits im Alter von acht Jahren den Flusskahn die neunzig Kilometer von Matarenki bis nach Kengis hochstakte. Oder von der Tante der Großmutter mütterlicherseits, die einem Bären im Beerenwald begegnete, ihn mit ihrer Holzaxt tötete und das Fleisch in zusammengeknoteten Tüchern auf ihrem Rücken nach Hause trug. Oder von den Zwillingsbrüdern, die man abends in den Waldarbeiterkojen hatte festbinden müssen, damit sie nicht ganz allein das gesamte Aareavaaragebiet kahlschlugen. Oder von dem Cousin, der als schwachsinnig

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