Populaermusik Aus Vittula
offenen Türen zu liegen und vor sich hin zu faseln.
Dann goss er noch neunmal neun Kellen auf, bis die Männer jammernd herunterkletterten und erklärten, sie müssten dringend pinkeln, und nur die Allerhärtesten mit Brandblasen, groß wie Einkronenstücke auf den Schultern, sitzen blieben. Großvater stellte seine Vaterschaft all dieser Jammerlappen laut in Frage.
Dann überreichte er die Kelle und sagte, dass sie die Endausscheidung untereinander ausmachen sollten, denn er hätte keine Lust mehr, sie zu quälen und den Geruch ihrer Drüsen ertragen zu müssen. Würdevoll kletterte er hinunter und begann sich im Warmwasserbottich zu waschen. Auf Art der Männer seifte er nur die drei wichtigsten Teile des Körpers ein: die Glatze, den Bauch und den Sack.
Jetzt begann das grausame Finale. Die beiden Familien sollten ihre Kräfte ein letztes Mal miteinander messen. Einari übernahm den Aufguss, während die anderen sich über die Kälte beklagten. Wie immer war der Kampf großenteils rein psychologisch. Alle zeigten mit überdeutlicher Körpersprache, wie wenig es sie betraf, dass die Hitze sie kaum berührte, wie lange man problemlos noch ausharren konnte. Einari kippte den Eimer über den zischenden Steinen aus und bekam ihn gleich wieder gefüllt zurück. Ein neuer, brutaler Durchgang. Die Ersten der Finalisten torkelten hinunter und landeten keuchend auf dem Boden. Großvater kippte kaltes Wasser über sie. Der Dampf peitschte die Rücken, brannte in der Lunge. Noch einer gab auf. Die anderen blieben wie Baumstämme sitzen, mit glasigen Augen. Mehr Dampf, weitere Schmerzen. Jetzt gab Vater hustend auf, als wäre er kurz vorm Ersticken. Zurück blieb nur noch Einari, der weiter aufgoss, und der glatzköpfige Ismo, der dasaß und mit dem Kopf wackelte. Die Besiegten rotteten sich auf dem Boden zusammen, um bleiben zu können und den Ausgang mitzubekommen. Ismo schien kurz vor der Ohnmacht zu sein, hielt sich sonderbarerweise aber immer noch aufrecht. Bei jeder Kelle zuckte er wie ein wehrloser Boxer zusammen, der langsam, aber sicher zum Knockout getrieben wurde. Einari schnappte nach Luft und goss mit zitterndem rechtem Arm auf. Sein Gesicht war blaurot, der Oberkörper schwankte besorgniserregend. Eine neue Kelle. Und noch eine. Ismo begann gequält zu husten, der Speichel lief ihm übers Kinn. Beide schwankten ziemlich und legten schließlich zur Stütze die Arme umeinander.
Plötzlich durchfuhr Einari ein Zittern, und er fiel steif zur Seite auf Ismo, der auch umfiel. Wie zwei Schlachttiere fielen sie donnernd auf die untere Pritsche, wo sie liegen blieben, immer noch die Arme umeinander geschlungen.
»Unentschieden!«, rief jemand.
Erst in diesem Augenblick rutschte ich gehäutet aus meiner dunklen Ecke auf der obersten Pritsche. Alle starrten mich an, ohne etwas zu begreifen. Schweigend hob ich die Siegerfaust.
Während der Jubel aufstieg, fiel ich auf dem Boden auf die Knie und übergab mich.
KAPITEL 12
- über einen hartgesottenen Sommerjob, einen Feuerhaken auf Abwegen und darüber, was geschieht, wenn man nicht seine Pflicht tut.
An einem grauen, verhangenen Maitag kam ein munterer, magerer Mann aus der Gegend von Korpilombolo nach Pajala gewandert. Er trug einen altmodischen Soldatenrucksack, sein Kopf war wettergegerbt und runzlig wie ein Runenstein mit gestutzten grausilbernen Haaren. In Naurisaho machte er Halt, spähte zu dem bleischweren Himmel hinauf und trank einige Schlucke aus einer Feldflasche. Dann klopfte er an der nächst gelegenen Tür an. Als sie geöffnet wurde, grüßte der Fremde in gebrochenem Reichsfinnisch mit einem exotischen Akzent. Der Mann stellte sich als Heinz vor, deutscher Staatsbürger, und er wollte gern wissen, ob es hier in der Gegend eine unbewohnte Hütte gebe, die möglicherweise den Sommer über zu vermieten war.
Es wurden ein paar Telefongespräche geführt, und bereits am Abend hatte Heinz ein schlecht isoliertes Rauchstubenhaus gleich vor dem Ort bekommen. Die Witwe, die darin gewohnt hatte, war in den letzten Jahren geisteskrank geworden und hatte über den ganzen Boden Blumenerde und Heu gestreut, sodass alles mit kochendem Seifenwasser geschrubbt werden musste, bevor der Deutsche damit zufrieden war. Man trug eine Matratze und Geschirr hinein, stellte das Notwendigste in den Vorratsraum, hängte Gardinen auf und kippte eine Fuhre Holz auf den Hof. Strom konnte gegen einen Aufpreis auf die Miete wieder angeschlossen werden. Heinz lehnte jedoch dankend
Weitere Kostenlose Bücher