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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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wanden sich wie kleine Tunnel in dem trockenen Vorjahresgras ganz dicht am Boden. Die Ratten haben ihre Wege, genau wie Ameisen oder Menschen, und bald fand ich heraus, dass es fast immer zu einem besseren Resultat führte, wenn die Fallen auf diesen Wegen standen. Die beste Art, neue Ratten daran zu hindern, das Haus zu besetzen, würde also sein, ihre Transportwege zu verminen.
    Aber die Taktik hatte nur teilweise Erfolg. Die Bügelfallen hatten einen grundlegenden Konstruktionsfehler: Wenn sie zugeschlagen waren, blieben sie ungefährlich, bis sie wieder neu gespannt wurden. Und in dieser Zeit konnten die Ratten unbeschadet vorbeiströmen. Ich dachte eine Weile über das Problem nach, machte Heinz dann einen Vorschlag. Er klatschte mir begeistert Beifall.
    Von einem Nachbarn liehen wir ein paar zerbeulte Eimer aus verzinktem Blech. Die grub ich an den strategischen Stellen mitten auf den Rattenwegen ein, so tief, dass der Rand auf gleicher Höhe mit der Erde war. Anschließend füllte ich sie zur Hälfte mit Wasser. Über den Eimer legte ich eine dünne Schicht harter Grashalme und Laub und versuchte das Ganze möglichst natürlich aussehen zu lassen.
    Am nächsten Morgen schaute ich nach. Sechs Ratten waren in den ersten Eimer gefallen. Sie waren herumgeschwommen, ohne den Grund erreichen oder herausklettern zu können, und dann nach und nach vor Erschöpfung ertrunken. In dem zweiten Eimer lagen fünf Leichen. In dem dritten noch sieben. Der letzte Eimer hatte ein Leck, auf seinem Boden sprangen zwei zu Tode erschrockene Tierchen herum, die ich mit dem Absatz zertrat. Zwanzig Körper, eine phantastische Ausbeute! Die Bügelfallen brachten noch weitere vier; als ich also die Schwänze abgeschnitten und vorgezeigt hatte, bekam ich stolze zwölf Kronen von einem beeindruckten Heinz. Sein schmaler Mund verzog sich zu einem Lächeln, das sah ganz ungewohnt aus, wie ein Wolf, der versucht zu lachen. Die Rattenleichen warf ich in die Grube im Wald, der kaputte Eimer wurde ausgetauscht und weitere Eimer und andere Gefäße an den passenden Stellen eingegraben.
    Die folgenden Wochen erbrachten ein traumhaftes Einkommen. Die Ratten platschten massenweise hinein, kratzten mit ihren Klauen an der Blechwand, bis sie nicht mehr konnten und ertranken. Die Leichen waren viel hübscher als die aus den Bügelfallen. Anfangs war zwar die Menge an sich schon eklig, ein paar Kilo waren jeden Tag wegzuschaffen. Aber man gewöhnt sich dran. Und es half, wenn ich an das Geld dachte, das daheim in meine Blechbüchse fiel, Geld, das mit immer größerer Geschwindigkeit zu einer Gitarre anwuchs.
    Jetzt konnte Heinz sehen, dass der Krieg endlich ein Resultat brachte. Nur noch selten war das Knabbern eines kühnen kleinen Kämpfers zu hören, der es durch das Minenfeld geschafft hatte. Aber meistens verfing sich der Arme schon am nächsten Tag in einer Bügelfalle. Heinz konnte jetzt gut schlafen, die Schreibmaschine ratterte wie ein altmodisches Maschinengewehr, und der ganze Vorhof roch nach Dschungelöl, da die Mücken jetzt ernsthaft zum Angriff bliesen. Manchmal zog er eine Seite heraus und las mit seiner Wagnerstimme laut vor, um Rhythmus und Melodie des Textes zu erproben. Eine harte, kraftvolle Prosa von Strapazen und Truppenverlegungen, scharfe Bilder des Finnischen Kriegswinters, von Frost und nadelspitzen Tannennadeln in den Decken, hier und da kräftiger Soldatenhumor, sexuelle Not in schlecht riechenden Quartieren, ab und zu ein romantischer Abschnitt, in dem finnische weibliche Schönheiten bandagierte Kriegshelden verpflegten oder ein deutsches Soldatenkind abends in der verdunkelten Marketenderei streichelten.
    Währenddessen fuhr ich mit immer effektiveren Mitteln in meiner Arbeit fort. Beispielsweise stellte ich fest, dass es gar nicht nötig war, die Wassereimer mit Gras zu bedecken. Die Ratten fielen so oder so hinein. Offenbar konnten sie gar nicht mehr bremsen, wenn sie die Wege entlanghuschten, sondern fielen einfach hinein, auch wenn die Öffnungen weithin sichtbar waren. Dagegen wurden die alten Rattenpfade nicht mehr aufrecht erhalten, nachdem ihre Benutzer gestorben waren. Dafür wurden neue gebildet, sodass man herumrennen und die ganze Zeit neue Eimer eingraben musste.
    Die Leichengrube im Wald füllte sich mit rasender Geschwindigkeit. Ich deckte sie zu und grub eine neue. Bald war auch die voll. Die Gräber wurden von den Füchsen wieder aufgekratzt, die halbverrotteten Teile in alle Richtungen zerstreut. Bald

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