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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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veränderte sich, bekam neue Konturen. Niilas Mutter, die ihr ganzes Leben lang mit Abwiegelungsmanövern beschäftigt gewesen war, bekam plötzlich Luft und Raum. Da sie das nicht gewohnt war, wurde sie deprimiert. Sie fühlte sich einsam und wertlos. Die Kinder kamen allein zurecht, ohne sie als Pun-chingball und Makler. Der Krieg war vorüber, aber wie sollte man nun leben?
    Jetzt, wo sie Zeit hatte, sich um sich selbst zu kümmern, war ihr Körper plötzlich voller Gebrechen. Ihre Stimme erklang überraschend und zögernd im Haus, ein eintöniges Knirschen wie von einem alten Rad. Sobald sie den Mund öffnete, füllte sich das Zimmer mit jammernden, müden Staubflocken, die sich übereinander legten, bis sie bis zur Taille reichten und man sich nur noch mit Mühe darin bewegen konnte. Die jüngeren Kinder, die Mädchen und der kleine Bruder, waren nur schwer zu bändigen. Endlich durften sie wachsen, und sogleich versuchten sie sich dieser muffigen Luft so oft wie möglich zu entziehen. Mutter pustete ihre grauen Zwiebelhäute über die Kinder, die diese von sich rissen und lieber dem Leben die Zunge rausstreckten. Sie wechselte die Taktik und erklärte ihnen, sie würden sie krank machen, es sei ihre Schuld, dass sie litt. Sie sagte das immer wieder, Tag ein, Tag aus, bis sie sich nicht länger dagegen wehren konnten. Ein Faden nach dem anderen des Spinnengewebes klebte um sie herum, bis jeder Schritt zäh und schwer war. Sie kämpften und bissen mit ihren Milchzähnen. Aber sie kamen nicht los.
    Johan, der nun eine Art Hausvorstand geworden war, konnte nicht verstehen, was da geschah. Isak weigerte sich, sich mit den hysterischen Kleinen zu befassen, und erklärte nur, dass die
    Menschen halt so würden, wenn die Erbsünde durch Züchtigung nicht getilgt werde. Das ganze Haus schien schimmlig und rissig zu sein. Die Lebensfreude sickerte durch die Risse in den Bodendielen hindurch, wo sie langsam versauerte. Alle sehnten sich nach Prügeln, so merkwürdig das auch war. Prügel und anschließend Erlösung.
    Schließlich trat Johan vor seine Mutter.
    »Jetzt suchst du dir einen Job«, sagte er.
    Sie bekam ganz weiße Wangen und wollte wissen, warum er sie in den Tod schicken wolle, so schmerzgebeugt und erschöpft sie war.
    »Jetzt suchst du dir einen Job!«, wiederholte er.
    Sie weigerte sich, alle würden sie auslachen, wer wollte schon eine ungebildete alte Frau?
    »Putzen«, sagte er, »Schulkantine, Krankenpflege.«
    Sie gab keine Antwort, fiel auf die Küchenbank und atmete stoßweise röchelnd in einem Asthmaanfall. Die Kinder hörten auf, sich auf dem Boden zu prügeln, Isak hielt im Schaukelstuhl inne. Die Mutter wand sich im Krampf, bekam keine Luft. Niila sprang auf, um den Notarzt zu holen, aber Johan hielt ihn zurück. Langsam holte er eine Milchpackung aus dem Kühlschrank. Er ging zu seiner Mutter und goss ihr die Milch über den Kopf. Sie floss ihr übers Gesicht, über die Brust, übers Kleid und die faltigen Strümpfe. Fett und reichlich. Aber kalt.
    Mutter zappelte wie ein Kleinkind, wuchs schnell, fand ihre Kraft und kam wütend auf die Beine. Dann schlug sie Johan zum allerersten Mal, eine kraftvolle, schallende Ohrfeige.
    »Jetzt suchst du dir einen Job«, sagte er zum dritten Mal.
    Sie spürte die Kraft in ihrer Hand pulsieren, konnte immer noch die Bewegung des Schlags in Arm und Schulter spüren, bis in die großen Muskelfasern des Rückens. Überrascht drehte sie
    ihren Körper hin und her und schaute sich errötend um. Die Schmerzen waren weg.
    KAPITEL 17
    - in dem die Maifeuer entzündet, Waffen besorgt und Prämien auf zwei junge Waldwächter ausgeschrieben werden.
    Je älter man wurde, umso besser verstand man, wie Pajala funktionierte. Die ganze Stadt bestand aus verschiedenen Ortsteilen, jeder mit seinem eigenen inoffiziellen Namen, wie Naurisaho, Strandvägen oder Centrum. Eine Neubaugegend wurde passenderweise Texas getauft, die Häuser um das alte Klärwerk herum liefen wegen des Geruchs unter Paskajänkkä, Scheißmoor, und mein eigenes Viertel hieß also Vittulajänkkä, Fotzenmoor.
    Jedes Viertel hatte seine Jungsbande und seine Anführer. Unter den Banden herrschte alles, vom freundlichen Willen zur Zusammenarbeit über Konkurrenz, Säbelrasseln bis hin zum offenen Krieg, jeweils abhängig vom Zeitpunkt. Ein empfindliches Machtgleichgewicht, wie man so sagt. Manchmal gingen zwei Viertel gemeinsam auf ein drittes los. Manchmal hieß es einfach alle gegen alle.
    Als Junge in

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