Port Vila Blues
gebaut, und diesem Umstand war es zu verdanken, dass das Haus über die beiden Merkmale verfügte, die für De Lisle beim Erwerb des Anwesens die ausschlaggebende Rolle gespielt hatten. Erstens, das Haus bot jede Menge Luxus und das abschüssige Grundstück war zu einer wunderbaren Terrassenlandschaft umgestaltet worden, mit Hafenpanorama und Ausblick über das blaue Wasser bis hinüber zur Bucht von Reriki Island; zweitens hatte der ängstliche französische Kolonialist einen Sicherheitszaun rund um seinen Besitz installieren lassen, um die Rebellen fern zu halten. Vanuatu war zwar inzwischen eine Republik, aber der Zaun existierte noch immer. De Lisle hatte sogar die Alarmanlage im Haus auf den neuesten Stand bringen lassen. Er sorgte sich um die Bargeldmengen und Juwelen, die hier ständig eintrafen.
De Lisle verließ die breite Veranda und stieg die steilen Stufen hinunter, die zum Pier führten. Er hatte es einmal in Erwägung gezogen, zwischen Haus und Ufer eine kleine Seilbahn errichten zu lassen — dieses Treppensteigen war einfach mörderisch —, aber das wäre einer Einladung zum Einbruch gleichgekommen. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sich Diebe in Kanus lautlos näherten, an Land gingen und mit der Seilbahn nach oben gelangten, um in seine Villa einzudringen und ihm die Kehle durchzuschneiden.
Unten angekommen, vergewisserte er sich zuerst, dass niemand außerhalb des Zauns auf der Lauer lag, und schloss das Tor auf. Er hatte das Haus vor drei Jahren gekauft, kurz nach seiner ersten Pazifik-Dienstreise als Bezirksrichter. Inzwischen war eine Hochseeyacht hinzugekommen, die Pegasus, ein Zweimaster, der jetzt sanft gegen die LKW-Reifen stieß, die am Rand der kleinen Kaianlage angebracht waren. Vor einigen Jahren hatte De Lisle ein Ehepaar aus Sydney für Hobart angeheuert und wusste, dass er mit der Pegasus einen Törn rund um die Welt machen konnte, wenn ihm danach war. So oft sein beruflicher Zeitplan es zuließ, segelte er mit der Pegasus von Port Vila nach Suva und wieder zurück. Auf der Yacht befanden sich immer genügend Proviant und die notwendige Ausrüstung. In Wahrheit war die Pegasus De Lisles Mittel zur Flucht, sollte der Boden in Port Vila ihm zu heißen werden. Er war im Besitz eines zweiten Satzes Schiffspapiere: In fünf Minuten würde aus der Pegasus, Coffs Harbour, die Stiletto, registriert auf den Namen einer panamaischen Firma.
Auch für De Lisles diverse Bankkonten mussten irgendwelche Firmen herhalten. Das war alles Camouflage und so notwendig wie Essen und Trinken, jetzt, da er große Geldmengen nach Vanuatu und wieder hinaus bewegte. Als Steueroase sicherte das Land besonderen Schutz und Diskretion zu, Faktoren, die De Lisles bei der Tarnung seiner Bankgeschäfte und anderen Aktivitäten halfen. Keine Einkommenssteuer, keine Kapitalertragssteuer, keine Doppelbesteuerungsabkommen mit Australien. Keine Devisenkontrollen oder Auskünfte über Kapitalbewegungen. Und es war möglich, Geldsummen in beliebiger Höhe und beliebiger Währung auf Konten einzuzahlen, ohne dass Fragen gestellt wurden.
Weder in seiner Wohnung in Sydney noch in seinem Haus in der Nähe von Coffs Harbour gab es etwas, was die Aufmerksamkeit der Polizei erregen könnte. Dergleichen bewahrte er ausschließlich in Port Vila auf, in Safes und Schließfächern.
Er bestieg die Yacht, entfernte die Sicherheitsgitter, schloss die Tür zur Kajüte auf und ging nach unten. Die Kajüte war mit Teakholz getäfelt, und als er die Vorhänge aufzog, schimmerte die satte, kräftige Farbe des Holzes im Licht der Nachmittagssonne.
Der Safe war als ein in die Wand eingelassener Backofen getarnt. De Lisle öffnete die Tür, zog, bis die gesamte Konstruktion auf Rollen nach vorn glitt, und griff dahinter. Auf dem untersten Brett lagen Papiere, unter anderem auch Kopien von Unterlagen für den nächsten Coup — den Raub der Asahi-Edelsteinkollektion —, die er an Niekirk weitergeleitet hatte: Grundrisse, eine Beschreibung der Alarmanlage, die Anzahl der Mitarbeiter, der Umfang der Beute, die günstigste Zeit für den Überfall, die Zeitspanne, die zwischen dem Auslösen eines Alarms und dem Eintreffen der Cops verginge, die Telefonnummer, die im Falle einer Festnahme anzurufen war. De Lisle suchte alle Unterlagen über den gestrigen Upper-Yarra-Coup heraus und fütterte damit den Müllkompressor unter dem Spülbecken der Kombüse.
Anschließend blätterte er das Material durch, das er zusammengetragen hatte und das
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