Port Vila Blues
heran, dessen orangefarbener Kunststoffbezug übersät war mit schartigen Brandflecken, setzte sich, lehnte sich zurück und nahm die Pflichtverteidigerin kurz in Augenschein. Das Miststück hieß Goldman, klang jüdisch, also suchte Baker in ihrem Gesicht nach einer Bestätigung für seine Vermutung. Wenn’s stimmt, dass Juden scharf aufs Geld sind, warum macht sie dann diese beschissene Arbeit als Pflichtverteidigerin? Baker dachte eine Weile darüber nach, dann hatte er sie durchschaut: klasse Outfit, scharfer Verstand, der Typ, der sich gern mal unter das gemeine Volk mischt. Zufrieden mit seiner Analyse, verschränkte er die Arme und wartete. Doch er war kribbelig, brauchte dringend einen Hit.
Die Goldman blätterte in den Seiten der Anklageschrift. »Tätlicher Angriff, Diebstahl, Drohungen ... «
»Sie wissen doch, wie die einen mit Dreck beschmeißen und hoffen, dass was kleben bleibt«, sagte Baker.
Sie musterte ihn. »Und wie sehen Sie das, Terry? Streiten Sie alles ab? Sollen wir darauf plädieren, auf nicht schuldig?«
Baker bewegte die Schultern hin und her und suchte nach den richtigen Worten. »Ich war genervt, nicht wahr?«
»Genervt?«
»Ja. Sie ist auf mich losgegangen.«
»Sie hat Sie angegriffen?«
»So in etwa, ja.«
»Also war es Notwehr?«
»Ja«, sagte Baker.
Er beobachtete, wie die Goldman seine Akte durchging. Hin und wieder spitzte sie die Lippen oder schnalzte mit der Zunge, als gefiele ihr nicht, was sie dort las.
»Terry, Ihrer Strafakte zufolge haben Sie ein Alkoholproblem, ist das korrekt?«
»Man hat mir nachgesagt, dass ich gern mal einen zwitscher. Warum?«
»Und Drogen?«
»Na ja«, erwiderte Baker, »weiche Drogen eben.«
»Nach einer Beurteilung, die gerade mal sechs Monate alt ist, haben Sie sich auf einer Abwärtsspirale befunden.«
»Abwärtsspirale?« Baker starrte die Goldman an. »Was soll das heißen, verdammt noch mal?«
»Das heißt, dass Ihre psychische und physische Verfassung sich verschlechtert hat, Terry. Es wurde Ihnen zur Auflage gemacht, sich in einer Klinik behandeln zu lassen. Laut Auskunft der Klinik haben Sie die Behandlung nach drei Sitzungen abgebrochen.«
»Ich war nicht krank«, murmelte Baker.
Die Anwältin umfasste die Kante des Schreibtisches mit beiden Händen und beugte sich über die Papiere hinweg zu ihm hinüber. »Terry, ich suche nach unserer Verteidigungsstrategie, okay? Man nennt das mildernde Umstände. Eine Vorgeschichte mit Alkohol- und/oder Drogenmissbrauch kann Berücksichtigung finden und helfen, Ihre Handlungsweise zu erklären.«
»Was meinen Sie mit Missbrauch? Scheiße noch mal, ich bin kein Alkie und auch kein Junkie. Merken Sie sich das, Lady!«, empörte sich Baker.
Jetzt nannte sie ihn Mr. Baker. Stinksauer zischte ihn das Miststück an: »Mr. Baker, ich wurde vom Gericht dazu berufen, Leuten zu helfen, die sich keinen Anwalt leisten können und die ihre Verteidigung nicht selbst in die Hand nehmen wollen. Ich entscheide nicht über Schuld oder Unschuld — das ist Aufgabe des Gerichts. Sie müssen mir schon auf halbem Wege entgegenkommen. Der Ankläger der Polizei wird Ihnen hart zusetzen. Ich habe Sergeant Day schon oft in Aktion gesehen. Er wird versuchen, Sie zu provozieren, Sie aus der Fassung zu bringen, damit der Richter einen ungünstigen Eindruck von Ihnen gewinnt. Wollen Sie das?«
»Nein.«
»Also nein. Und warum helfen Sie mir dann nicht, eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln?«
»Wenn Sie wollen.«
»Nein, nicht wenn ich will. Absolut nicht, wenn ich will. Ich möchte, dass Sie mir auf halbem Wege entgegenkommen.«
Baker runzelte die Stirn. »Meine Güte, es ist eine gerichtliche Voruntersuchung.«
»Ach? Soll das heißen, Sie wollen nicht, dass ich als Erstes versuche, Gründe für eine Einstellung des Verfahrens zu finden?«
Baker zuckte mit den Achseln.
Die Goldman ließ nicht locker. »Und sollte ich keine Gründe für eine Einstellung des Verfahrens finden und es kommt zum Prozess, legen Sie dann keinen Wert auf eine gute Verteidigung?«
»Ich kann auch jederzeit abtauchen.«
Goldman warf ihm über den Schreibtisch hinweg einen kalten Blick zu. »Tun Sie das und Sie können Freilassung auf Kaution vergessen, wenn man Sie das nächste Mal schnappt.«
»Vielleicht gibt es ja kein nächstes Mal.«
Goldmans Stimme wurde sanfter. »Hören Sie, Terry, betrachten Sie mal Ihre Biografie: Seit dem elften Lebensjahr in Heimen untergebracht, mit vierzehn Jugendgericht, ein weiteres
Weitere Kostenlose Bücher