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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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dezenter Ort für eine illegale Transaktion. Wyatt fuhr mit einem Fingernagel die Unregelmäßigkeiten in der karierten Gingham-Tischdecke entlang und sah Liz Reddings Hand dort liegen, lange, schlanke, bewegliche Finger; Hände, die man gern ansah, und er stellte sich den Rest von Liz Redding vor.
    Ihre Hand schien auf ihn zu reagieren, zuckte, hob sich, fiel wieder auf das Tischtuch und zupfte an dem Material. »Ich soll die Steine prüfen«, meinte Liz Redding unvermittelt.
    Davon war er ausgegangen. Er reichte ihr die Brosche, doch in diesem Moment wurde die Bestellung gebracht. Liz Reddings Augen wurden groß vor Appetit. »Wurde auch Zeit. Ich habe schon gemerkt, wie meine Laune sich verschlechtert.«
    Wyatt beobachtete, wie sie den mit Kakao bestäubten Schaum ihres Kaffees löffelte, den ersten Schluck nahm und anschließend mit der Zungenspitze einen Rest Schaum von der Oberlippe entfernte. Sie lehnte sich über den Tisch, und für einen winzigen Augenblick dachte Wyatt, sie wolle ihn küssen, doch sie stützte ihr Kinn in die Handfläche und fragte: »Was macht die Kellnerin?«
    Wyatt blickte an ihr vorbei zur Registrierkasse. »Sie ist nach hinten gegangen.«
    »Gut.«
    Liz lehnte sich zurück, klemmte die Lupe ins Auge und untersuchte Stein für Stein. Wyatt betrachtete ihre Hände, die sauberen, klaren Poren, die auf der gebräunten Haut wie Nadelstiche aussahen. Liz blickte auf. »So weit, so gut. Sie haben die Steine nicht durch synthetische ersetzt. Jetzt wollen wir mal nachschauen, ob Sie die teuren Diamanten gegen minderwertige ausgetauscht haben.«
    Sie zwinkerte ihm zu und schien sich prächtig zu amüsieren. Dann nahm sie die Brosche wieder in die Hand und suchte nach verräterischen Kratzern an den Fassungen. Zufrieden mit dem Ergebnis, kramte sie in ihrer Handtasche und holte eine kleine Waage hervor. Wyatt behielt alles im Blick, doch diesmal agierten ihre Hände derart fix, derart diskret, dass ihm entging, was sich sonst noch in ihrer Tasche hätte befinden können.
    »Ist die Luft noch rein?«
    Er nickte.
    Sie stellte die Waage auf den Tisch, verbarg sie geschickt zwischen den Tellern und Tassen, der Zuckerdose und zwei hohen Salz- und Pfefferstreuern.
    »Sie ist wieder da.«
    Liz war augenblicklich wie versteinert. Ihre Hände schlossen sich um die Waage.
    »Alles in Ordnung. Sie starrt ins Leere.«
    Liz benutzte ein kleines Spezialwerkzeug, um zwei Steine aus der Fassung zu lösen. Sie nahm den Ersten mit einer Pinzette auf, wog ihn in der kleinen Schale der Waage und verfuhr mit dem Zweiten ebenso.
    »Das sind die Testsieger der Stiftung Warentest«, bemerkte sie. »Jeder Stein hat das exakte Gewicht eines echten Steins. »Entschuldigung«, fügte sie hinzu und meinte damit die umständliche Prozedur.
    Wyatt kümmerte das nicht. »Geschäft ist Geschäft«, erwiderte er.
    Obwohl ihm überhaupt nicht nach Essen war, solange die Transaktion noch lief, griff er dennoch nach der Apfeltasche und biss hinein. Der Teig war dick, zäh und klebte fast am Gaumen, die Apfelfüllung bestand aus groben Stücken. Er nahm einen großen Schluck Kaffee und aß weiter.
    Mit einem Mal hatte er das Gefühl, sein Mund sei voller Splitt. Er verzog das Gesicht, schob die klebrige Pampe mit der Zunge an die Lippen und fischte sie aus dem Mund.
    »Was ist los?«
    Wyatt legte den Brei des Anstoßes auf seinen Teller und förderte zwischen Teig und Apfelfüllung ein Stück Zahn und frisches Amalgam zutage. Automatisch fuhr seine Zunge über die Zähne im Oberkiefer, fand eine Art Krater und ein loses Fragment, Überbleibsel des Zahns, der ihm zwei Monate lang das Leben zur Hölle gemacht hatte.
    »Ich habe eine Füllung verloren.«
    Fasziniert betrachtete Liz Redding das Stück Zahn auf seinem Teller. »Nicht nur das. Ihr Zahn ist gesplittert. Ist es der, der Ihnen Probleme gemacht hat?«
    Er nickte.
    »Eine neue Füllung?«
    »Ja.«
    »Sie ist gebröckelt«, sagte Liz. »Das kann passieren. Welcher Zahn ist es?«
    »Oben. Hinten«, murmelte er trotz geschäftiger Zunge.
    »Das ist nicht tragisch. Das beeinträchtigt Sie nicht beim Kauen, also brauchen Sie an dieser Stelle auch keinen Zahnersatz.«
    »Sie scheinen ’ne Menge davon zu verstehen.«
    Sie saß immer noch über den Tisch gebeugt, den Oberkörper in Wyatts Richtung gereckt. Unbewusst lehnte er sich zu ihr hinüber. Dieses kleine menschliche Missgeschick schien sie einander näher zu bringen.
    Und so blieb der Junkie mit der Kanone von ihnen unbemerkt.

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