Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
Er war durch den Haupteingang hereingekommen, und einen Moment später zwinkerte Liz und flüsterte: »Hinter mir.«
    Wyatt linste an ihrem schimmernden dunklen Haar vorbei Richtung Eingang. Der Mann, der dort etwas wacklig auf den Beinen stand, trug ausgetretene Stiefel, ein zerrissenes T-Shirt, schmutzstarrende Jeans und eine Jeansjacke. Er hätte dringend eine Rasur und einen Haarschnitt gebraucht. Wyatt meinte, gleich den Geruch des Mannes wittern zu müssen, eine Mischung aus ungewaschener Haut und schmutziger Kleidung, Motoröl und Benzin, und noch etwas anderes — ein ungesunder Stoffwechsel, der billigen Alkohol und kostspielige, verunreinigte Chemie ausschied, die, in dunklen Gassen erstanden, in Hinterhof-Giftküchen produziert worden war.
    Der Mann hatte sie nicht gesehen. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase, bemühte sich um Konzentration und fuchtelte mit der Waffe, als wolle er eine Menschenmenge zur Seite drängen. Wyatt ließ die Waffe nicht aus den Augen. Der Größe nach zu urteilen, handelte es sich um eine .357er, und sie schien auch vom Gewicht her eine original .357er zu sein und kein Replikat aus einem Ramschladen. Jetzt hörte der Typ mit dem Fuchteln auf und richtete die Waffe auf die Bedienung, die wie festgeklebt auf ihrem Hocker sitzen blieb und lediglich den Mund auf- und wieder zuklappte. Der Mann gab ein krankes Kichern von sich und taumelte auf sie zu. »Rück’s raus«, stieß er hervor, »rück’s raus«, dabei entblößte er zwei Reihen gesunder Zähne, und das passte ganz und gar nicht.
    Liz Redding hatte ihre Handtasche auf dem Schoß und beugte sich schützend darüber. Drinnen befanden sich die Brosche und das Geld für Wyatt. »Wir sollten etwas tun, bevor er sie verletzt«, sagte sie und drehte langsam den Kopf zur Seite.
    Wyatts Stimme bewog Liz innezuhalten; er gab ihr einen tiefen, ruhigen Klang und verzichtete dabei auf überflüssige Worte und unnütze Betonungen: »Nicht bewegen. Keinesfalls seine Aufmerksamkeit erregen.«
    Reglos saßen beide da und beobachteten den Junkie. Wyatt sah, wie er die Bedienung vom Hocker stieß. »Rück’s raus. Aber dalli.«
    Der Stoß schien sie aufgeweckt zu haben, denn jetzt stolperte sie zur Registrierkasse, öffnete sie und wich zurück zur Durchreiche. Dahinter, in der Küche, schien niemand etwas mitzubekommen. Wyatt hörte Geschirr klappern, fröhliches Gepfeife und das Plätschern von Wasser.
    Der Junkie stopfte sich ein paar Scheine aus der Kasse in seine Gesäßtasche. Er feixte, in Gedanken wohl schon bei seinem nächsten Fix. Wyatt konnte sehen, dass er sich Richtung Tür umdrehte, stehen blieb, und er sah einen Ausdruck von Gier auf dem Gesicht.
    Liz atmete tief durch. »Mein Gott, er hat uns gesehen.«
    Wyatt verfolgte genau, wie der Junkie sich ihnen langsam näherte, sich hinter Liz Redding hielt, aber bereits im Begriff war, einen Bogen um sie zu machen, so dass er gleich an der Seite auftauchen würde.
    An Wyatts linker Seite. Es schien Absicht zu sein. In Wyatts Schoß lag die kleine .32er, aber der Winkel war ungünstig. Wyatt hätte nach links, also quer über den Tisch schießen und den Schuss knapp an Liz Reddings Schulter vorbei platzieren müssen, vorausgesetzt, der Mann hätte keinen größeren Bogen beschrieben.
    Eigentlich machte der Junkie einen eher verpennten, wenn auch, unberechenbaren Eindruck, als betrachte er Wyatt und Liz Redding als willenlose Opfer, die ihm ohne große Gegenwehr Armbanduhren und Kleingeld überließen. Aber jetzt ging der Lauf der .357er in die Höhe, der Mann spreizte die Beine, hockte sich hin und stützte die Waffe mit der anderen Hand ab. Er war mit einem Mal völlig klar, beherrscht und konzentriert, war schneller aus seiner chemischen Trance erwacht als jeder andere Junkie, dem Wyatt je begegnet war.
    All das wurde von Wyatt wahrgenommen, und er brachte die .32er in Anschlag, schlug jedoch mit den Knöcheln gegen die Tischkante und vergeudete so wertvolle Zeit.
    Er wäre zu langsam gewesen. Es war Liz, die den Mann erschoss. Sie verhielt sich nicht wie ein Amateur, wandte nicht den Kopf, um erst einmal herauszufinden, wo das Problem war, und anschließend ihre Waffe auszurichten, sondern schwang sofort herum — Oberkörper, Arme, Augen und Kanone —, ohne zeitliche Verzögerung erfasste sie das Ziel und drückte in dem Moment ab, als sie es im Visier hatte.
    Sie schoss zweimal auf den Junkie; der erste Schuss, ein Schlag in den Magen, der den Mann von den

Weitere Kostenlose Bücher