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Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Titel: Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimon Weber , Anette Strohmeyer , Simon X. Rost , John Beckmann
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durch eine Lungenembolie.“
    Sie stellt das Futteral mit den beiden Spritzen auf ihr Rollköfferchen, damit ich es weiter sehen kann. Dann verschränkt sie die Hände vor der Brust. Das verbindliche Lächeln in ihrem Gesicht scheint eingemeißelt. „Wir wissen, dass die Beziehung zu Ihrer Frau Rhonda zerrüttet ist, Mr. Prey. Wir wissen jedoch auch, dass Sie Ihren Vater und Ihre Tochter Emily sehr lieben. Das ist schön. Deswegen möchten wir die Entscheidung Ihnen überlassen, Mr. Prey. Welche Spritze soll Ihr Vater bekommen? Diese ...“ Sie deutet auf das Xolair. „Oder diese?“ Ihr Finger zeigt auf die Spritze mit Silikon. „Ihre Tochter wird das Schicksal Ihres Vaters übrigens teilen, Mr. Prey. Falls Sie sich für diese Spritze entscheiden.“
    Wieder zeigt sie auf das Silikon.
    Und dann wartet sie einfach.
    Ich kann mich nicht dagegen wehren. Ich spüre sie auf meiner Wange, bevor mir überhaupt klar ist, dass sie eben aus meinem Auge gekommen ist. Eine Träne.
    Und dann noch eine. Sie laufen über die Wange zum Kinn. Ich blicke vom Futteral zu Kellogg, zu der Frau vom Gesundheitsdienst und wieder zum Futteral. Ich schließe die Augen.
    Und dann sage ich ihnen alles, was sie wissen wollen.
    Ich erzähle ihnen von Ghostface.

- 10 -

    Ich öffne die Augen.
    Das eine ist immer noch von getrocknetem Blut verklebt, das andere geschwollen. Aber durch einen dünnen Lüftungsschlitz gelingt es mir, einen Blick nach draußenzu werfen. Wir fahren gerade am Sato-Tower vorbei. Groß und einschüchternd mit seiner Fassade aus Glas und Stahl, steht er wie ein vergessener Monolith inmitten der Stadt. Dann verschwindet er aus meinem Blickfeld. Wir werden in Viehtransportern durch die Innenstadt gekarrt. Auf den Seiten der Trucks grinsen aufgemalte Schweine. Dass man den Tieren bereits ein üppiges Filetstück aus dem Rücken geschnitten hat, scheint sie nicht zu stören. Vier dieser ehemaligen Schweinetransporter sind unterwegs, davor und dahinter Jeeps mit Wachen der IFIS. Sie haben uns reingestoßen, ich habe kaum etwas gesehen.
    Wenig später sind wir in den Vororten.
    Viele Wohnblocks sind schon entvölkert, teils durch unsere Politik der Zusammenlegung, teils durch die Deportationen. Am Straßenrand stehen Kinder. Sie laufen den Lastwägen hinterher, werfen johlend Steine auf sie, als sie vorbeifahren. Dahinter durchforsten in Lumpen gehüllte Gestalten Müllberge nach etwas Essbarem oder in ihren Augen Nützlichem. Am Fuße der Berge krabbeln unzählige Greybugs, die in der gleichen Mission unterwegs sind. Staub wirbelt auf, als ein leichter Wind aufkommt, und der Geruch von Rauch dringt in den Transporter. Vor einer von Einschusslöchern zersiebten Tankstelle brennt ein Feuer.
    Der Konvoi wird langsamer.
    Bald sind wir am Tor.
    Die Leute neben mir spüren das und im Transporter wird es langsam still. Bis vor wenigen Minuten war ein stetes Klagen und Weinen, ein Wimmern und Betteln zu hören. Die etwa dreißig Insassen, die mit mir nach Draußen gebracht werden, haben ihr eigenes Schicksal beweint oder geflucht oder versucht, mit den Wachen der IFIS zu verhandeln. Aber das ist so nutzlos wie unsinnig. Die vermummten Männer sind von den Fahrgästen durch ein massives Gitter getrennt. Sie haben ihre Sturmgewehre im Anschlag und richten sie auf die, die am lautesten protestieren. Kurz nach der Abfahrt haben sie auf einen Mann geschossen, der jetzt am Boden liegt und blutet. Das war den anderen für eine Zeit lang Warnung genug. Doch dann wurde es wieder laut.
    Der Transporter ist überfüllt, die am Rand halten sich an den Sichtschlitzen fest, die in der Mitte werden hin- und hergeworfen. Es riecht nach Urin, Schweiß und Erbrochenem. Manche haben Plastiktüten bei sich, andere sogar einen Koffer. Die meisten von uns haben nicht mehr als die Kleider, die sie auf der Haut tragen.
    Vor mir versucht ein Mann mit blondem Haarkranz, seine Frau zu beruhigen. Sie ist hysterisch, wimmert ständig „Wir sind alle tot! Alle tot!“, und er legt ihr die Hand auf den Kopf und streicht über ihr Haar, in der Hoffnung, sie würde endlich damit aufhören und die Blicke der Wachen nicht auf sich ziehen.
    Dann hält der Konvoi.
    Vor uns ragt ein Tor in der großen Mauer auf. Sie ist aus wuchtigen Betonelementen zusammengesetzt und bekränzt von drei Reihen Stacheldraht, ein Wehrgang verläuft an ihrer Krone und alle halbe Meile gibt es einen Turm mit Geschützständen. Das Tor ist groß genug, dass zwei Lastwagen aneinander

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