Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
vorbeifahren können. Es ist aus massivem Stahl, eine Hydraulik mit armdicken Schläuchen öffnet die zyklopischen Torflügel.
Der Fahrer reicht einem Posten am Tor sein Klemmbrett. Der Posten wirft kurz und ohne großes Interesse einen Blick darauf und gibt es dann dem Fahrer zurück. Er verschwindet für einen Moment in seinem Häuschen, dann hört man ein Zischen und ein metallisches Ächzen, und das Tor öffnet sich ganz langsam.
Niemand aus unserer Gruppe von Verschwörern gegen Sato ist mit mir im Transporter. Ich weiß nicht, wo sie sind, man hat es mir nicht gesagt. Plan B? Ghostface? Der Himmel weiß, was mit ihm geschehen ist. Ich nehme an, die anderen sind schon nach Draußen gebracht worden, oder dieses Schicksal steht ihnen noch bevor. Vielleicht sind sie in den anderen Viehtransportern. Vielleicht sind sie auch tot.
Man hat mir gesagt, Sato habe mich ‚verschont’. Er habe persönlich darauf gedrungen, mich am Leben zu lassen, mich nach Draußen zu bringen, weil ich so kooperativ war. Ich denke, es ist kein Akt der Gnade. Ich denke das Draußen wird schlimmer sein als eine schnelle Kugel im Genick.
Ein Bild taucht vor meinem inneren Auge auf. Emily, wie sie auf dem Rücken meines Vaters reitet und „Hüa, Pfättchen! Hüa!“ ruft. Es ist ein tröstliches Bild. Es gibt mir etwas Hoffnung.
Der Transporter fährt an, der ganze Konvoi setzt sich in Bewegung und wir passieren die Tore. Mit einem saftigen Schmatzen schließen sie sich hinter uns.
Dann sind wir da. Wir sind Draußen .
Jenseits der Mauer wird der Transporter schneller. Es scheint, als wolle der Fahrer keine Zeit verlieren. Es wird dunkler im Viehlaster und ich blicke wieder durch die Schlitze. Der Kontrast ist überwältigend. Meterdicke Baumstämme versperren mir die Sicht, lassen kaum Sonnenlicht nach hier unten durch. Endlos hohe, gigantische Bäume mit rötlicher Borke. Wellingtonien, Mammutbäume, müssen das sein. Mein Blick reicht nicht bis zu den Kronen. Ihre wuchtigen Wurzeln schlängeln sich über große Felsbrocken, alles ist von Efeu überwuchert. Das üppige Grün überrascht mich. Die Straße, die aus dicken Betonplatten gelegt wurde, ist rissig und voller Schlaglöcher, die der Fahrer ignoriert.
Im Viehtransporterist es totenstill.
Wir sind keine Meile gefahren, als der Transporter abbremst. Dichtes Gestrüpp am Rande der Straße verstellt den Blick ins Unterholz. Ich erkenne kleine rote Früchte an den Büschen, länglich, wie ein kleiner Finger. Irgendetwas stimmt nicht, aber mein Kopf ist schwer und vernebelt und ich komme nicht darauf, was es ist.
Im Bus wird gestöhnt und gewimmert. Nach etwa zwei Meilen halten wir an. Wir sind auf einer Lichtung angelangt. Aber es ist keine natürliche Lichtung. Zahllose Betonplatten bilden eine freie Fläche von der Größe eines Footballfelds.
„Raus! Raus! Raus!“, brüllen die Männer der IFIS. Einer von ihnen ist ausgestiegen und hat den Riegel vor der Heckklappe entfernt. Dann geht er rasch zum Fahrer zurück. Die Heckklappe senkt sich und nur unwillig setzt sich die Gruppe in Bewegung. „Wird’s bald?“, schreit einer der Bewacher und dann schießt er in die Gruppe. Jemand fällt zu Boden. Die Menge kreischt auf und drückt und quetscht sich aus dem Transporter, alles strömt zum Ausgang, nur eine junge Frau beugt sich über einen leblosen Körper am Boden.
Ich bin aufgestanden, lege meine Hand sanft auf die Schulter der jungen Frau, die immer nur „Devin ... Devin?“ stöhnt und den Leichnam schüttelt.
„Wir müssen gehen“, sage ich zu ihr. „Lassen Sie ihn liegen. Sie können nichts mehr für ihn tun.“ Sie starrt mich schockiert an.
„Raus jetzt! Schnell!“ Die Stimme des Wachmanns ist schrill und überschlägt sich. Ich packe die junge Frau, und meine Seite und die Nase senden sofort einen pochenden Schmerz durch den ganzen Körper. Die Frau wehrt sich nicht. Sie lässt sich nach draußen ziehen. Sofort schließt sich die Klappe des Viehtransporters hinter uns. Auch die anderen drei Transporter sind entladen worden und der Konvoi setzt sich augenblicklich in Bewegung. Schon Sekunden später sind die Lastwagen hinter dichten Baumreihen verschwunden, als wären sie nie hier gewesen. Die Straße aus den Betonplatten bildet eine Schneise, die zurück nach Porterville führt. Zum ersten Mal sehe ich die Stadt von außen. Der riesige Schutzschirm wölbt sich wie eine bläulich schimmernde Halbkugel aus Licht über der Stadt, schließt auch die höchsten
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