Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)

Ihnen da drinnen nicht nur Sympathie entgegenschlägt“, sagt Mr. Lundergaard nach einigen Schritten. „Das ist ein Haifischbecken. Und Berater gehören ausnahmslos zu den großen Weißen.“
    Er entblößt zwei Reihen beachtlich gerade Zähne.
    Eine Tür neben dem Rolltor führt ins Innere der großen Lagerhalle. Sie ist leer – bis auf den metallischen Würfel in ihrer Mitte.
    Ich bleibe stehen.
    Ich habe in Paraguay sieben Meter hohe Termitenhügel gesehen. Gegen das hier schrumpfen sie zu Sandburgen zusammen.
    Der Würfel hat die Größe eines Wohnhauses. Er schimmert, er funkelt geradezu, obwohl die kleinen Fenster unterhalb der Hallendecke nur wenig Licht hereinlassen. Seine Oberfläche ist frei von Nähten oder Kanten. So als bestünde dieser riesige metallische Würfel aus einem einzigen Stück.
    „Was … was ist das?“, frage ich.
    „Der Kubus“, antwortet Mr. Lundergaard. „Kommen Sie.“
    Er geht weiter.
    „Sie können von Glück reden, dass ich nicht mehr so gut zu Fuß bin“, ertönt eine Stimme. Sie gehört zu einem alten Mann, der sich vornübergebeugt mit beiden Händen auf einen Krückstock stützt. „Sonst wären ich längst auf dem Weg nach Hause.“
    „Entschuldigen Sie die Verspätung, General Hartman“, entschuldigt sich Mr. Lundergaard. „Es gab Komplikationen.“
    „Die gibt es bei Ihnen immer, Lundergaard“, erwidert General Hartman.
    Erst jetzt entdecke ich die Gruppe Männer hinter ihm. Sie alle tragen dunkle Anzüge. Gel glänzt in den Haaren, hier und da blinken Uhren und Goldschmuck, doch das alles verblasst im Schein des Würfels.
    Der General unterscheidet sich sowohl durch sein Alter als auch durch den braunen Cordanzug vom Rest.
    „Los, lassen Sie uns anfangen“, sagt er. „Wir haben schon genug Zeit verplempert. Außerdem macht meine Frau heute Auflauf.“
    „Zum Mittagessen sind wir alle wieder zu Hause“, sagt einer der Männer in den schwarzen Anzügen und lacht. Einige der anderen stimmen mit ein.
    „Was war mit deinem, Gerry?“, fragt Mr. Lundergaard. „War das nicht der, der sich eingepisst hat?“
    Der Angesprochene verzieht das Gesicht, dafür lacht der Rest umso lauter.
    „Ich muss doch sehr bitten, meine Herren!“, erhebt General Hartman seine Stimme. Sofort kehrt Ruhe ein.
    Die Gruppe setzt sich in Bewegung. Da sich alle an dem Tempo des Generals orientieren, kommen wir nur sehr langsam voran.
    „Es ist eigentlich ganz simpel“, sagt Mr. Lundergaard leise zu mir. „Sie betreten den silbernen Kubus und kommen erst wieder raus, wenn Sie das Zeichen dafür bekommen.“
    „Und in der Zwischenzeit? Was passiert bis dahin?“
    „Nichts. Sie warten einfach auf unser Zeichen.“
    „Das ist alles?“
    „Im Prinzip schon.“
    Mr. Lundergaard steigt eine dreistufige Treppe hinauf, greift in eine kaum sichtbare Vertiefung in der vollkommen glatten Oberfläche und zieht eine kinnhohe Tür auf. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber der Schimmer des Würfels scheint kurz noch intensiver zu werden.
    Ich erinnere mich an das Dokument, das Michael, der Assistent von Mr. Thomas mir entgegengehalten hat und welches ich ungelesen unterschrieben habe. Mein Bauch zieht sich schmerzhaft zusammen.
    „Ist das … ist das irgendwie gefährlich?“, flüstere ich Mr. Lundergaard zu.
    „Nicht gefährlicher als andere Dinge“, sagt er und schaut den Würfel hinauf. „Machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe ein gutes Gefühl bei Ihnen.“
    „Hat er unterschrieben?“, fragt General Hartman.
    Mr. Lundergaard nickt. „Selbstverständlich.“
    „Worauf warten wir dann noch?“ Der General zeigt mit der Spitze seines Spazierstocks auf den niedrigen Eingang.
    „Gehen Sie“, sagt Mr. Lundergaard und schiebt mich vorsichtig vorwärts.
    Ich steige die Stufen hinauf. Jeder Schritt hallt scheppernd durch die Halle. Das Innere des Würfels ist leer. Er wirkt sogar noch größer als seine Außenmaße es erlauben würden. Boden, Wände und Decke sind mit schwarzen Platten verkleidet. Auch von ihnen geht ein Leuchten aus. Gerade stark genug, dass man bis zur Decke hinaufsehen kann.
    Draußen zählt jemand herunter: „Testbeginn in fünf, vier, drei, zwei, eins …“
    Dann wird die Tür geschlossen. Die Platten erlöschen. Um mich herum herrscht schlagartig absolute Dunkelheit. Ich höre mein Herz schlagen. Etwas drückt auf meine Trommelfelle. Ich versuche, ruhig zu bleiben, atme ein, atme aus, denke immer wieder: Es ist nur ein Test, nur ein Test.
    Es funktioniert.