Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
verlasse?“
„Diese Darstellung des Angebots ist reichlich verkürzt, aber ich nehme an, Sie haben verstanden, worum es geht.“
„Und was würden Sie meiner Freundin dann erzählen?“
„Nichts. Sie verschwinden einfach und kehren nicht zurück.“
„Sie würde nach mir suchen. Sie würde die Polizei einschalten.“
„Das würde ihr nicht viel nützen. Wie ich gerade sagte: Sie verschwinden und kehren nicht zurück.“
„Drohen Sie mir gerade?“
Er lacht auf. „Nein. Nein, nicht im Geringsten. Sie erwartet ein langes erfülltes Leben. Sie müssen nur fortan auf eine Teilnahme am öffentlichen Leben verzichten.“
„Warum sollte sich irgendjemand auf so einen Wahnsinn einlassen?“
„Bislang hat noch niemand abgelehnt“, entgegnet er und lässt mich einige Sekunden mit meinen Gedanken allein. „Ich verstehe, dass diese Entscheidung sehr schwierig für Sie ist. Trotzdem muss ich Sie darauf hinweisen, dass Sie sich hier und jetzt entscheiden müssen. Sollten Sie aussteigen, ist das Angebot hinfällig.“ Er schaut aus dem Fenster. „Das Jetzt ist hingegen nicht ganz so eng zu betrachten. Uns bleibt noch etwas Zeit. Der Tank ist voll.“
„Worum geht es bei der Expedition überhaupt?“, frage ich nach einer Weile.
„Ist das wirklich wichtig, wenn sie Ihnen und Ihrer Familie ein sorgenfreies Leben garantiert?“
Ich antworte nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts.
„Denken Sie an Ihre Frau und das Baby. Denken Sie an ihre Zukunft. Überlegen Sie, was passiert, wenn Sie zusagen und was passiert, wenn Sie aussteigen. Es gibt immer mindestens zwei Versionen der Zukunft.“ Er macht eine Pause. „Vielleicht interessiert es Sie auch, dass ein alter Bekannter von Ihnen bei der Expedition dabei ist. Benedict Rupert hat bereits zugesagt.“
Ich starre ihn an. Wiederhole den Namen.
Mr. Lundergaard wendet sich mir zu. Er schmunzelt, grinst, lacht. Die Regenwürmer winden sich in heller Aufregung.
„Wusste ich es doch, dass Ihnen das die Entscheidung erleichtern würde.“
Folge 5
„Die Akte Tori“
Raimon Weber
Prolog
„Ich habe die Handgriffe drei Dutzend Mal geübt, bis ich sie im Schlaf beherrschte. Ich darf keinen Fehler machen. Es darf einfach nicht schiefgehen. Die Musik des kleinen Orchesters dringt selbst durch die Toilettentür zu mir. Sato wird jeden Moment auf die Bühne treten. Er wird von besseren Zeiten reden, einer rosigen Zukunft ohne Mangel, und dann wird er einen kleinen Scherz machen und die Menge, die gekommen ist, um der Eröffnung des Bedarfs-Centers beizuwohnen, wird lachen und ihren Bürgermeister beklatschen. Und dann wird er explodieren.“
Jefferson Prey
Porterville
- 1 -
Tag 185, Jahr 0048
„Schwere Zeiten“, murmelt Mr. Landino. „Wahrhaft schwere Zeiten, Tori.“
Ich weiß nicht genau, was er damit meint. Daher schweige ich lieber.
Er trägt zivile Kleidung. Keine Uniform. Obwohl er zur IFIS, der Instanz für Innere Sicherheit gehört. Er ist alt und aus seinen Ohren wachsen weiße Haarbüschel. Wenn Mr. Landino spricht, muss man genau zuhören, um ihn zu verstehen. Seine Stimme ist immer sehr leise. Anfangs dachte ich, er sei krank. Aber mittlerweile vermute ich, dass es ein Trick ist, um mir absolute Aufmerksamkeit abzuverlangen.
Mr. Landino überfliegt noch einmal meine handgeschriebenen Notizen. „Emily Prey hat in der Nacht vor ihrem Verschwinden eine junge Mitschülerin gerettet. Einen Frischling. So nennt ihr sie doch. Nicht wahr, Tori?“
„Genau“, bestätige ich. „Emily kam sehr spät zurück. Ich habe so getan, als ob ich schlafe und bin ihr dann heimlich gefolgt. Emily ging in den Trainingsraum. Dort verpassten Debra und ihre Freundinnen der Neuen eine Lektion.“
„Eine Lektion“, wiederholt Mr. Landino nachdenklich. Dabei fährt er sich durch das schüttere Haar. „Sie haben das Mädchen gefesselt und aus nächster Nähe mit Basketbällen beworfen. Es trug einen Schädelbruch davon.“
Ich weiß nicht, was ich sagen soll und warte ab. Mein Blick wandert zu dem Porträt von unserem Bürgermeister an der Wand. Der ehrenwerte Takumi Sato hat ein mildes Lächeln auf den Lippen. In der rechten Hand hält er eine Blume mit weißer Blüte.
„Beteiligst du dich manchmal an derartigen Lektionen?“ Mr. Landino sieht mich durchdringend an.
„Äh“, mache ich.
„Tori? Ich wünsche eine ehrliche Antwort.“
„Nur an kleinen Streichen“, erwidere ich zögernd.
Mr. Landino scheint zufrieden. „Gut.“
„Aber Debra
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