Portland Head Light
der Vorliebe.“
„Vorliebe?“, hakte Dominic nach.
„Es gibt Männer, die sind niemals oben, weil sie es einfach nicht wollen. Genauso gibt es Männer, die ihr gesamtes Leben lang nicht ein Mal unten liegen. Ich selbst, zum Beispiel, führe lieber. Das ist meine Art, das weißt du, aber mich stört es auch nicht, wenn David mit mir schlafen will. Wie ich bereits sagte, ihr müsst es ausprobieren. Was euch beiden gefällt, kann nie falsch sein. Wenn du jemals unsicher bist, denk einfach daran. Das, was Cameron und du für euch wollt, ist das Einzige, was wirklich zählt.“
Das klang logisch und es beruhigte Dominic. Zu wissen, dass es in der Hinsicht nichts gab, was irgendwie getan werden 'musste', denn davor hatte er Angst. Es war weder erschreckend sich vorzustellen, mit Cameron zu schlafen, noch den Platz mit ihm zu tauschen. Ganz im Gegenteil, Dominic interessierte Beides. Allerdings würde er in Zukunft weder im Internet darüber nachlesen, noch auf irgendwelche komischen Gerüchte hören, wie er es getan hatte. Adrian war in der Hinsicht definitiv der bessere Ansprechpartner.
- 12. Kapitel -
Mein geliebter Junge,
auch auf die Gefahr hin, ein wenig theatralisch oder vielleicht sogar albern zu klingen, aber ich glaube, dass diesem Brief hier nicht mehr viele folgen werden. Die Tage vor dem Fenster werden so schnell länger, wie sie für mich kürzer werden. Es geht auf das Ende zu und bald werde ich mich an nichts mehr erinnern. Sehr bald wird der Morgen kommen, an dem ich aufwachen und gleichzeitig doch weiterschlafen werde, weil mein Wahnsinn gesiegt hat. Mein letzter Frühling ist angebrochen, ich spüre es ganz tief in mir, und das Schlimme daran ist, dass ich mich im Moment sogar darauf freue.
Ich weiß, ich sollte kämpfen, weil es richtig wäre, mein eigenes Leben nicht einfach so aufzugeben, aber ich frage mich, wofür? Ich kann mich an viele Dinge schon jetzt nicht mehr erinnern und ich weiß, dass diese Erinnerungen auch niemals wiederkommen werden. An der Wand von meinem Zimmer hängt ein Bild von einem Mann, der dein Vater war. So steht es zumindest auf dem Zettel, den ich angeblich unter dieses Bild geklebt habe. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. Ich kann mich nicht daran erinnern. Weder an den Mann selbst, noch an den Namen, Gavin Masterson, der ebenfalls auf dem Zettel steht. Ich weiß, wer ich bin und auch, wer du bist, Dominic, aber niemand kann mir sagen, wie lange das noch so bleibt. Wie lange ich noch weiß, dass ich einen Sohn habe.
Es ist so merkwürdig, auf das Bild deines Vaters zu schauen ohne zu wissen, wer er ist. Sie haben es mir erzählt, nur deswegen kann ich überhaupt von ihm schreiben. Ich habe mich gefragt, wer dieser Mann ist und warum ich sein Bild an meiner Wand hängen habe? Ich habe geweint, als sie es mir sagten. Ich wollte mich wieder an ihn erinnern, aber es ist mir nicht gelungen. Ich habe diesen Mann vor langer Zeit geliebt und heute sehe ich mir sein Bild an und frage mich, wer er ist? Das ist nicht fair. Das habe ich nicht verdient. Niemand verdient so etwas. Niemand. Auch ich nicht. Oder? Dominic? Habe ich es verdient, ihn zu vergessen? Deinen Vater. Bin ich denn so ein furchtbarer Mensch, dass diese Strafe gerecht ist?
Und das ist noch nicht alles. Ich habe noch viel mehr vergessen. Meine Ärzte und Pfleger wollen mir nicht sagen, warum ich hier bin und auch weiterhin hierbleiben muss. Sie meinten, es wäre besser für mich, wenn ich es nicht wüsste. Ich verstehe das nicht und es macht mir Angst. Ich muss früher etwas getan haben, das so schlimm war, dass sie mich hier einsperrten und dich mir wegnahmen. Aber es kann doch nicht nur daran liegen, dass ich immer mehr vergesse. Ist das wirklich der Grund dafür? Sie sagen es, aber ich glaube ihnen kein Wort. Was habe ich bloß getan? Was ist mit meinem alten Leben passiert, was ich nicht mehr weiß?
Ich wünschte, du wärst hier und würdest mir die Wahrheit sagen, wie schlimm sie auch sein mag. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Wahrheit nicht furchtbarer sein kann als dieses Nichtwissen. Und vielleicht könnte ich dann auch wieder schlafen, ohne Angst zu haben. Wenn ich wüsste, warum ich hier bin und warum du nicht bei mir sein kannst, das würde alles leichter machen, glaube ich.
Ich habe dich lieb, mein kleiner Schatz.
Deine Mum
Morgen würden sie nach Baltimore weiterfahren und dann würde er schon bald seine leibliche Mutter treffen. Dominic wusste nicht, ob seine innere Unruhe
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