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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Clegg
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ansehen, dass er abends betet, nicht mehr aufzuwachen.
     
    Er sagt etwas, etwas inzwischen längst Vergessenes, und da ergreift dann sein Vater das Wort und sagt:
Ach ja, Willie, ist das so?
Damit greift er das Gesagte an, ob es nun um Fußball, Dennis oder die Schule ging oder um die Motten, die wie verrückt gegen die Lampe auf der Veranda flattern. Es hört sich gar nicht grob an, aber er weiß, dass sein Vater erst anfängt. Dennoch, die Stunde in der Küche mit Kenny und Onkel Teddy hat ihm Mut gemacht, er fühlt sich mit ihnen im Bunde und daher sicher. Er redet über etwas anderes. Worüber, spielt keine Rolle. Da sagt sein Vater etwas, das keiner versteht außer ihm.
Blickst ja voll durch, Willie
, spottet er.
Alles im Griff, wie es scheint.
Bei den Worten seines Vaters weiß er, dass er zu weit gegangen ist und am besten den Mund hält.
Ganz mit dir im reinen, Willie?
Die Stimme ist Boston pur, Scotch pur.
Sämtlicher Probleme Herr geworden? Gäb’s eins, über das du reden möchtest? Soll ich vielleicht? Was hältst du davon?
Inzwischen sind alle still, weil keiner begreift, um was es geht. Aber er weiß es. Und er betet, dass sein Vater aufhört, dass er nicht ausgerechnet jetzt ausplaudert, was er weiß, nicht das hinausposaunt, womit er ihn immer in der Hand haben wird. Ob er es Onkel Teddy schon erzählt hat? Teddy sieht ihn jetzt so komisch an. Ist das Mitleid oder Abscheu? Er weiß es nicht. Sein Gesicht wird heiß in der angespannten Atmosphäre, und schließlich fängt Onkel Teddy an, von seinem Sohn Chris zu reden, der bei einer Theateraufführung mitspielt oder in einer Mannschaft ist oder sich gerade ein Baumhaus baut.
     
    Das Abendessen geht zu Ende, und das peinliche Zwischenspiel gerät in Vergessenheit. Seine Mutter möchte, dass man ihr in der Küche hilft, und klagt, ihr Rücken sei wieder ganz schlimm.
Wenn das mal kein Bandscheibenvorfall ist
, seufzt sie. Sein Vater verdreht die Augen, Kim steht schon an der Spüle und wäscht ab, er und Kenny bringen ein paar Schüsseln in die Küche und verschwinden nach oben.
     
    Irgendwann vor dem Schlafengehen ist er im Bad, und es dauert länger als sonst. Seine Mutter klopft einmal, Kenny mehrmals; er dreht den Wasserhahn auf, vollführt seinen Tanz, saut alles voll und macht sauber. So weit, so gut, aber als er wieder in sein Zimmer kommt, sich neben dem bereits schlafenden Kenny leise auszieht, seine nassen Sachen sorgfältig unter den Handtüchern im Wäschekorb versteckt und unter die Bettdecke kriecht, hat er überhaupt nicht das Gefühl, dass die Sache ausgestanden ist.

Morgen
    Seit fast zwei Wochen bin ich im Gansevoort Hotel. Andere Zimmer in anderen Hotels gingen voraus. In meiner Gegend – SoHo, West Village, Chelsea – sind sie alle, dem Gefühl nach aber Welten entfernt, in Vierteln, wo ich noch nie war. Ich melde mich unter Namen aus der Kindheit an – Kenny Schweter, Michael Lloyd, Adam Grant-West – und erkläre, dass ich Krach mit meiner Freundin habe und nicht gefunden werden möchte. Niemand verzieht eine Miene. Man sieht sich lediglich meinen Pass an, zieht die Bankkarte durch und gibt mir einen Schlüssel.
     
    So lange wie im Gansevoort war ich sonst nirgends. In den anderen Hotels – 60 Thompson,
W
, Maritime, Washington Square – bin ich nur eine Nacht oder zwei, höchstens vier Nächte geblieben. Das war nach Newark, nach den Übernachtungen bei Mark und nach New Canaan, Connecticut, wo meine Freundinnen Lili und Eliza mich in Silver Hill angemeldet hatten, einer Entzugsklinik, aus der ich sofort wieder raus bin. Nachdem ich mir bei dem Fahrer, der mich abholte, was besorgt hatte, setzte er mich an einem Courtyard Marriott Motel in Norwalk ab, wo ich blieb, bis das Crack zur Neige ging, und mich der romantischen Vorstellung hingab, wenige Kilometer entfernt von dem Krankenhaus, in dem ich geboren war, zu sterben.
     
    Ich habe einige Male das Zimmer gewechselt und bin jetzt in einer Suite, die mir der Manager, da ich zumindest ein paar Wochen bleibe, angeblich fast zum halben Preis lässt. Darauf ist er nicht von selbst gekommen; beim Zimmerwechsel hatte ich den Menschen am Empfang gefragt, wie es bei ihnen mit Langzeitrabatt aussähe.
     
    Jede Nacht höre ich auf der Straße Geschrei –
Weiter so, Billy. Genieß es, so lange du kannst. Schwein für dich, dass du überhaupt noch da bist, Billy.
Entlang dem Gansevoort parken Lieferwagen mit Metallkästen auf dem Dach, die für mich ganz klar

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