Porträt eines Süchtigen als junger Mann
verdeckt. Auf dem Beifahrersitz sehe ich, wie jetzt schon mindestens ein Dutzend Mal, Ziploc-Tüten mit Geld säuberlich nebeneinanderliegen – eine mit 1-Dollar-Scheinen, eine mit größeren, eine mit Hartgeld. Der Wagen ist wie alle Taxis eingeweihter Fahrer blitzsauber. Ich frage ihn, für wen er arbeitet, und er meint mit einem leisen Lachen nur, das dürfe er nicht sagen. Ich hake nach, und er lacht wieder.
Aber Sie arbeiten für jemanden und sind kein Taxifahrer, stimmt’s?
Er lacht erneut und sagt:
Sie sind der Erste, der das schnallt.
Ich kann nicht fassen, dass er tatsächlich zugegeben hat, kein New Yorker Taxifahrer zu sein.
Ich hab’s gewusst!
, sage ich und bin erleichtert, dass diese seltsamen Begegnungen mit Taxifahrern keine drogenbedingten Wahnvorstellungen, keine Ausgeburten meiner Paranoia sind.
Der Fahrer wirkt freundlich. Als er sich umdreht, um mir zu antworten, tanzt Licht in seinen Augen. Ich frage weiter:
Warum verhaften sie mich nicht einfach?
Weil sie mich beobachten möchten, erwidert er. Weil sie mich schon lange beobachten, auch früher schon, bevor ich so ausgetickt bin, nur dass ich es jetzt erst bemerkt habe.
Ist das gut?
, frage ich, und er sagt:
Ja, das ist gut. Ihnen passiert nichts. Jemand kümmert sich um Sie.
Ich frage ihn, wer, und er antwortet, das dürfe er mir nicht sagen. Jedenfalls sei es ein Glück für mich, und ich solle mir keine Sorgen machen. Die Frage, ob ich im Hotel abgehört werde, bejaht er. Als ich einen Beweis verlange, sagt er:
Na ja, Sie werden manchmal ganz schön hektisch da oben. Ganz schön hektisch und nervös.
Ich frage ihn, ob sie mich auch beim Sex belauschen und beobachten, worauf er lacht und meint, ich könne ganz beruhigt sein, für sie sei das nichts Neues. Wir halten vor One Fifth, und ich empfinde tatsächlich nichts als Ruhe und ein eigenartiges Glücksgefühl.
Gratisfahrt, oder?
, frage ich, und er lächelt und winkt mich weg.
Regen Sie sich nicht so auf, alles wird gut
, sagt er, als ich aussteige.
Eine Welle der Erleichterung überkommt mich, und wie ich da stehe, laufen zwei Männer vorbei, Mäntel, Ohrhörer, rundum JC Penney; sie lächeln, als wäre ich in irgendein großes Geheimnis eingeweiht worden. Mir wird klar, dass jeder Einzelne dieser Windjackenträger mich von Anfang an im Auge gehabt hat.
Beschützt haben sie mich!
, sage ich laut. Deshalb bin ich auch nicht verhaftet worden. Ich blicke mich auf der Straße um, über die Fifth Avenue hinweg zur Eighth Street, und sehe mehrere Leute in meine Richtung schauen, die sich schon durch ihr Tempo verraten, durch den beherrschten, einstudiert normalen Gang.
In der Lobby sitzt Trevor am Schalter und ist offenbar nicht beunruhigt, mich zu sehen. Noch hat Noah die Hausverwaltung nicht gebeten, ihn zu benachrichtigen, wenn einer der Pförtner oder Portiers mich sieht; noch hat er die Schlösser nicht ausgewechselt. Ich laufe an Trevor vorbei, der mir ein Hallo zuruft. In der Wohnung ist niemand. Auf die Idee, dass Noah nicht da sein könnte, bin ich gar nicht gekommen. Ich mache mir einen Drink, rauche im Bad eine Pfeife und laufe eine gefühlte Ewigkeit im Wohnzimmer hin und her. Es ist seltsam, nach diesen Wochen wieder zu Hause zu sein. Benny, meine Katze, beäugt mich argwöhnisch und verschwindet ins Schlafzimmer. Die Wohnung kommt mir kleiner vor, als ich sie in Erinnerung habe, kostbarer, als wäre jedes Kissen, jedes Buch, jedes Foto Teil einer sorgfältig inszenierten Ausstellung zum Thema »Das Leben davor.« Während ich warte, male ich mir die Szene aus, die ansteht, wenn er nach Hause kommt. Er wird verlangen, dass ich alle Drogen herausgebe, die ich noch habe, und einer Entziehungskur zustimme. Ich will ihn endlich wiedersehen. Ihn umarmen, von ihm umarmt werden, die letzten Wochen irgendwie ungeschehen machen und wieder mit ihm zusammenleben. Aber je länger ich da bin, desto unmöglicher erscheint mir das. Ich weiß nicht, wie lange ich an diesem Abend dort bleibe, aber es ist entweder zu lange oder nicht lange genug, und ich gehe wieder.
Draußen auf der Straße hält ein Taxi und bringt mich unaufgefordert zum Hotel zurück. Als wir anhalten, sehe ich den Fahrer an, und er zuckt die Achseln, als wollte er sagen, schon gut. Er hält die Uhr zu, winkt mich weg, und wieder einmal bin ich kostenlos Taxi gefahren.
Diese Nacht vergeht schnell; Sekunde um Sekunde bin ich wach und allein. Kurz nach Mitternacht kommt Happy, und ich gebe so viel aus,
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