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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Clegg
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den Zweck verfolgte, mich zu schützen, statt mich zu schnappen. Ich werde rot bei dem Gedanken, dass hinter etwas so Aufwendigem und Verstohlenem womöglich Sorge, wenn nicht Liebe stand. Minutenlang lehne ich dort am Geländer, das Gesicht im sanften Morgenwind.
     
    Irgendwann fällt mir auf, dass der Fahrer in dem Wagen unter mir mit einer großen weißen Karte hantiert. Er schreibt etwas mit schwarzem Filzstift darauf. Seine Bewegungen sind unerträglich langsam, und immer wieder wischt er mit einem kleinen weißen Tuch das Geschriebene weg und fängt von neuem an. Ich gehe hinein, ziehe einen dicken Stein weg und gieße mir noch einen Wodka ein. Als ich wieder auf den Balkon komme, schreibt er immer noch. Ich sehe nur seine Arme, den Oberkörper und die Hände. Kopf und Gesicht sind von der Sonnenblende verdeckt. Schließlich stellt er die Karte hinter der Windschutzscheibe aufs Armaturenbrett. FRISEUR steht darauf. Sobald er mit der Karte fertig ist, fängt er an, mit einer kleinen, glänzend schwarzen Dose zu hantieren. Dabei bewegt er die Finger so schnell, dass sie verwischen, und diese geheimnisvolle Beschäftigung dauert mehrere Minuten. Es sieht mir aus, als ob er eine Crackpfeife stopft. Dann nimmt er ein Feuerzeug aus seiner Blazertasche und knipst es an. Er knipst es immer wieder an, aber nicht, um etwas damit anzuzünden, nur so, dass es aufflammt. Er lässt es kurz brennen und knipst es neu an. Ich beuge mich jetzt über das Balkongeländer, so weit ich kann. Ich bin sicher, dass er mir in verschlüsselter Sprache etwas mitteilt, das ich verstehen kann, wenn ich nur will. Plötzlich hängt für mich alles davon ab, dass ich ihn verstehe.
Was wollen Sie mir sagen?
, rufe ich laut, doch er gibt nicht zu erkennen, dass er mich gehört hat.
     
    Nach einer Weile hört er auf, das Feuerzeug anzuknipsen, und nimmt vorsichtig die weiße Karte vom Armaturenbrett. Wieder fängt er an, zu wischen und zu kritzeln. Nach einiger Zeit schreibt er langsamer denn je ein neues Wort. Als er damit fertig ist, stellt er die Karte wieder aufs Armaturenbrett.
    ZÜNDLER lese ich, und mir schwirrt der Kopf von den Verbindungen zwischen diesem Wort und dem Feuerzeuggeknipse.
Was soll das heißen?
, rufe ich vom Balkon hinunter. Der Fahrer steckt den Filzstift weg und faltet bedächtig die Hände auf dem Schoß. Ich beobachte ihn noch lange, doch er rührt sich nicht mehr. Einer nach dem anderen und Paar für Paar verschwinden die Flaneure draußen. Ohne Eile biegen sie um die Ecken oder verlieren sich hinter Gebäuden und Lastwagen.
     
    Der Fahrer ist reglos wie eine Statue, und inzwischen geht es auf sieben Uhr zu. Ich bin wach und ruhig, frei von Sorge und Einsamkeit. Mein Körper fühlt sich locker und entspannt an und zittert oder bibbert ausnahmsweise nicht. Obwohl ich die ganze Nacht auf war, fühle ich mich ausgeruht. Der Himmel ist immer noch rosa, und es drängt mich unerhört, einen Morgenspaziergang zu machen. Statt wie üblich die Tischplatten abzuwischen, mich anzuknallen und mich an- und wieder auszuziehen, steige ich in Jeans, Schuhe und Pullover und gehe raus.
     
    Die beiden Wagen sind nicht mehr vor dem Hotel, als ich es verlasse. Die Straßen sind leer, und ich laufe die Little West 12th Street hinunter Richtung Washington. Schon nach wenigen Blocks fange ich an, nervös zu werden, und die Zauberluft, die Minuten zuvor noch zwischen den Gebäuden lag, verschwindet: Sie weicht dem Gestank nach Fleisch, dem dumpfen Brummen der Transporter.
     
    Ich schaffe es bis zur 14th Street, und als ich dann kehrt mache, grüßt mich ein Typ meines Alters in Joggingsachen und Truckermütze. Er ist ungepflegt, fit und süß und scheint mir genau der Richtige zu sein, um die aufziehende Wolke zu vertreiben. Er fragt, ob ich geraucht habe, ich sage ja, und ehe man sich’s versieht, sind wir in meinem Zimmer und knallen uns an. Wir ziehen die Hemden aus und küssen uns ein bisschen. Er ist noch nicht lange bei mir, da klingelt das Telefon. Ich gehe ein paar Schritte vom Bett weg, und nachdem ich etliche Runden mit
Speicher voll. Keine weitere Aufzeichnung möglich
gekämpft habe, höre ich die Nachricht. Sie kommt von Malcolm, den ich völlig vergessen habe und mir jetzt anhöre wie einen Freund aus dem Sommercamp vor vielen Jahren. Ernster Tonfall, und seine Nachricht beginnt mit den Worten:
Hey, Bill, ich muss dir wirklich mal was sagen …
     
    Ich lege auf und höre diese Nachricht nie zu Ende, denn in diesem

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