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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Clegg
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aufhören.
Ich sehe schon
, tobte sie,
du wirst ein Crackhead, wenn du erwachsen bist, genau wie Candy DiFiore. Das steht für mich fest. Ihr zwei seid aus dem gleichen Holz.
     
    Fitz geht ins Schlafzimmer und kommt mit einem Fläschchen voll milchiger kleiner Kristallbrocken wieder. Er zieht ein durchsichtiges Glasröhrchen aus der Tasche, das er als Pfeife bezeichnet, legt an einem Ende ein kleines Drahtsieb ein und darauf dann ein paar Stückchen oder Krümel, wie er es nennt, von dem Crack. Vorsichtig reicht Fitz ihm das Röhrchen, sagt ihm, er solle es an die Lippen halten und zieht ein Feuerzeug hervor. Das Glasröhrchen ist dünn, und seine Hände zittern. Er hat Angst, dass ihm das Crack rausfällt, aber es passiert nichts. Fitz knipst das Feuerzeug an und hält die Flamme an das Pfeifenende. Er zieht langsam, als er sieht, wie das weiße Zeug in der Flamme Blasen wirft und platzt. Perlenfarbiger Rauch gleitet durch das Röhrchen, und er zieht fester, um ihn zu sich zu bringen. Fitz sagt ihm, er soll langsam machen, und er hört auf ihn. Bald ist seine Lunge voll, und er hält die Luft an wie beim Grasrauchen. Er atmet aus und muss sofort husten. Es schmeckt nach Medizin oder Reinigungsmittel, aber auch etwas süßlich, nach Limone. Der Rauch wabert an Fitz vorbei ins Wohnzimmer wie ein großer, sich entrollender Drache. Während er zusieht, wie der Rauch sich kräuselnd ausbreitet, spürt er den Rausch erst wie ein Flattern, dann wie ein Brüllen. Ein Schwall neuer Energie durchfährt ihn bis in die Haarspitzen, und in einem Augenblick vollkommenen Vergessens ist zugleich nichts und alles in seinem Bewusstsein. Hinter seinen Augen kehrt so etwas wie Frieden ein. Der Frieden wandert von seinen Schläfen hinunter zur Brust, in seine Hände und überallhin. Er durchtost ihn – kinetisch, sexuell, euphorisch – wie ein wundervoller Hurrikan, der mit Lichtgeschwindigkeit tobt. Es ist die wärmste, zärtlichste Liebkosung, die er je erlebt hat, und als sie nachlässt, die kälteste Hand. Das Gefühl fehlt ihm schon, ehe es ganz weg ist, und er möchte es nicht nur wiederhaben, sondern er braucht es.
     
    Derweil hält ihn ein silberhaariger, gut aussehender Mann von zu Hause im Arm, streichelt sein Bein und sagt ihm, er macht noch eine Pfeife, mit mehr Crack, die sie dann zusammen rauchen. Diesmal gibt er sich alle Mühe, langsam zu ziehen, doch Fitz sagt ihm, dass er immer noch zu fest zieht, dass er die Pfeife anbrennt. Er zieht ganz leicht, und seine Lunge füllt sich. Wieder muss er husten, und wieder kommt die Explosion des Fühlens und Nichtfühlens, das Bewusstsein von allem und nichts, der gewaltige Energieschub, der ihn stillhalten lässt. Fitz nimmt die Pfeife an sich, lässt sie abkühlen und stopft sie für sich. Während Fitz inhaliert, bedeutet er ihm, sich seinen Lippen zu nähern – es ist klar, dass er ihm damit anbietet, ihm Rauch in den Mund zu blasen. Und während er das tut, fangen sie an, sich zu küssen.
     
    Noch nie war etwas so erregend. Dieser tobende Sturm, der ihn durchtost, während er einen Mann küsst, den zweiten oder dritten erst in seinem Leben – einen Mann, der älter als sein Vater ist, den er schon als Kind im Lebensmittelladen und in der Bücherei seines Heimatörtchens gesehen hat. Sie knutschen, ziehen sich aus und verlagern das ganze Pfeiferauchen und Küssen ins Schlafzimmer. Es wird ein schwindelerregender Nebel aus Rauch und Haut, und es ist für ihn das einzige Mal, dass der Absturz nach dem Glücksrausch nicht umso schlimmer ist, das einzige Mal, dass beides nicht hart aufeinanderprallt. Der Absturz kommt, als er ein paar Stunden später geht, kurz vor Mitternacht, und ihm klar wird, dass er seiner Freundin Nell so nicht gegenübertreten kann – der Frau, mit der er seit über zwei Jahren zusammenlebt, obwohl er sich zunehmend zu Männern hingezogen fühlt.
     
    Ehe er Fitz’ Wohnung verlässt, geht er ins Bad und wäscht sich sorgfältig die Hände, die rußig und rotverbrannt sind von der heißen Pfeife. Er wäscht sich das Gesicht und kämmt sich die Haare, damit man ihm die stundenlange Rammelei nicht ansieht. Er prüft seine Kleidung, klopft den Blazer ab, schaut, dass die Knöpfe am Hemd zu sind, der Kragen gerade sitzt, der Reißverschluss seiner Hose nicht offen ist. Hinter der geschlossen Tür des winzigen Bads neben dem Eingang macht er das alles schnell und mechanisch mindestens ein Dutzend mal. Es ist, als wäre er auf Autopilot oder wechselte

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