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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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Schriftzeichen zeigen ihr wahres Gesicht … Wir sollten fliehen, aber wohin?‹«, übersetzte Rahim ins Französische.
    Wir hörten beide schweigend zu. Dann streckte Rahim die Hand aus und legte seine Finger auf mein Handgelenk. Ich spürte mein Herz in der Kehle.

Sieben
    Ein regnerischer Morgen auf dem Largo Trindade Coelho. Auf den Stufen der Igreja de São Roque drängten sich vier tapfere Touristen unter Regenschirmen, bevor sie hinter der düsteren Fassade der Kirche verschwanden. Die Luft unter der tropfenden Markise der Kaffeebude war von Dampf, Schweiß und dem würzigen Duft des Espressos erfüllt. Uma bica, wie ihn die Portugiesen nennen, ein Fingerhut pures Adrenalin. Auf dem regennassen Platz landete ein Taubenschwarm, graue Vögel auf grauem Stein.
    Ich beendete mein portugiesisches Frühstück aus Kaffee und noch mehr Kaffee, legte einige Münzen neben die leere Tasse und ging über den Platz zu den schwindelerregend steilen Stufen der Calçada do Duque.
    Im Allgemeinen bleiben Berufsverbrecher nicht lange am selben Ort. Vor meiner Zeit im Maison des Baumettes ließ ich mich nicht mit den Gezeiten, sondern im Rhythmus meiner Arbeit dahin treiben und verbrachte Wochen oder auch nur Tage an einem Ort, bevor ich weiterzog. Die meisten Leute, die ich in Lissabon gekannt hatte, lebten ganz ähnlich, doch es gab auch Ausnahmen, Veteranen mit eigenem Geschäft oder Familie, denen es gelang, den bürgerlichen Schein zu wahren. Es waren nicht viele, doch unterwegs waren mir vor allem zwei Namen eingefallen: Amadeo und Gaspar Fielding.
    Die Söhne eines englischen Vaters und einer portugiesischen Mutter führten Saudade, einen Touristenladen in der Rua Augusta, der nach jener ganz besonderen melancholischen Sehnsucht der Portugiesen benannt war. In dem Geschäft gab es eine zweifelhafte Sammlung »einheimischer« Waren, doch in Wirklichkeit lebten die Brüder von den Luxusgütern, die sie im Hinterzimmer lagerten.
    Die Gebrüder Fielding, sozusagen die Dinosaurier der Baixa, handelten mit allem, was sich fälschen ließ: Handtaschen von Louis Vuitton, Dunhill-Zigaretten, Düfte von Calvin Klein oder was immer ihr Lieferant in Kalkutta gerade anbot. Als ich sie kennenlernte, waren sie schon seit Jahren im Geschäft. Wenn es überhaupt noch jemanden aus meiner Zeit in Lissabon gab, dann Gaspar und Amadeo.
    Es war schon später Vormittag, als ich die gepflegten Straßen der Baixa erreichte. In der Rua Augusta drängten sich die Menschen, elegant gekleidete Einheimische und Touristen in Turnschuhen, die dem schlechten Wetter trotzten. Die Schaufenster von Saudade waren hell erleuchtet und zeigten die gleichen verstaubten Andenken, die ich dort schon vor zehn Jahren gesehen hatte. Bunte Töpferwaren, Fischerpullis aus Nazaré und Leinen aus Madeira. Ich klappte meinen Regenschirm zu und tauchte ab in den warmen Verkaufsraum.
    Ein junger Mann schaute mir von der Theke entgegen. Gaspars Geschmack, dachte ich bei mir. Dunkle Augen und dunkles Haar, das ihm in üppigen Locken ins Gesicht fiel, jugendlich schlank wie ein Mädchen. Amadeo hingegen bevorzugte die raueren, muskulösen Typen.
    »Womit kann ich dienen, Senhora?«, fragte er lächelnd auf Englisch, taxierte mich mit Blicken und stufte mich sofort als Ausländerin ein. Sein Akzent war hinreißend und verführerisch.
    »Ich möchte zu den Brüdern. Sind sie hier?«
    »Werden Sie erwartet?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir sind alte Freunde.«
    »Ihr Name, Senhora?«
    »Nicole, Nicole Blake.«
    Er nickte und warf mir noch einen skeptischen Blick zu, bevor er zum Telefon griff, eine Taste drückte und in rasantem Portugiesisch meine Bitte vortrug.
    Ein kurzes Zögern, dann legte er den Hörer auf und sah mich durch dichte Wimpern an. »Gaspar wird Sie empfangen«, erklärte er herablassend und deutete zum Hinterzimmer.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, wie eine Heldin empfangen zu werden, weder von den Fieldings noch von sonst jemandem in Lissabon. Ich hatte meine Zeit in Marseille abgesessen, wusste aber aus Erfahrung, dass mein Zusammenstoß mit dem Justizsystem mich unwiderruflich gezeichnet hatte. Das Gefängnis ist ein verzweifelter Ort, an dem viele Dinge geschehen können; selbst die Besten unter uns lassen sich mitunter auf irgendwelche Abmachungen ein. Dennoch hoffte ich, dass Amadeo und Gaspar gutes Benehmen zeigen und mich nicht im Stich lassen würden.
    Gaspar wartete vor der Bürotür auf mich. Er hatte sich kaum verändert. Natürlich war er

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