Portugiesische Eröffnung
nicht viele aus den alten Tagen übrig, oder? Allerdings habe ich gehört, Rahim soll noch in der Stadt sein.«
»Das stimmt«, erklärte Amadeo. »Ich hatte völlig vergessen, dass ihr mal ein Paar wart.« Er schaute seinen Bruder an. »Wir haben ihn doch letztens noch gesehen.«
»Du musst dich irren«, meinte Gaspar kopfschüttelnd.
»Aber ja doch, es war bei Eduardo. Er ist gerade gegangen, als wir hereinkamen.«
»Eduardo Morais?« An den alten Uhrmacher konnte ich mich gut erinnern.
Gaspar räusperte sich und lächelte entschuldigend. »Du musst meinem Bruder verzeihen«, sagte er, ohne weiter auf meine Frage einzugehen. »Er hat leider das Gedächtnis eines alten Mannes. In Wahrheit haben wir Rahim schon länger nicht gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt noch in Lissabon wohnt.« Aus einer Schreibtischschublade holte er eine Flasche Portwein und drei Gläser. »Wie wäre es jetzt mit einem Drink?«
»Ja«, stammelte Amadeo. »Ja, natürlich.« Er schaute gierig auf den Wein, wieder zu mir und tippte sich an den Kopf. »Bedaure, meine Liebe, aber so ist das Gedächtnis eines alten Mannes. Ich weiß gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
Ich senkte den Blick wie ein Mädchen, das nach einer verflossenen Liebe sucht, nach einem Mann, an den sie sich irgendwann verloren hat. »Es ist lange her.«
Gaspar schenkte ein und schob uns die Gläser hin. »Auf alte Freunde!« Er hob sein Glas.
Ich stieß mit den Brüdern an und trank einen Schluck Portwein.
Amadeo kippte seinen hinunter und zwinkerte mir zu. »Auf die Liebe«, sagte er, schenkte sich nach und leerte das Glas noch einmal.
Nicht Liebe, aber etwas, das dem sehr nahe kam. Vielleicht die Vorstellung von Liebe. Die Symmetrie der Sehnsucht. Zwei Uhr morgens, und draußen vor dem Fenster rauscht die Küste vorbei, verstreute Lichter winziger Hafenstädte, irdische Sternbilder, die in der großen Leere des Meeres verschwinden. Im Abteil nebenan steigt eine Party, drei junge Amerikaner und drei dunkelhaarige Italienerinnen, die vorhin auf der Plattform zwischen zwei Waggons zusammen geraucht haben. Die melancholischen Laute einer brasilianischen Jazz-Serenade dringen durch die Wand, uns umweht der schwache Geruch von Haschisch.
Es macht uns nichts aus, wach zu bleiben. Vor drei Tagen haben wir zuletzt geschlafen, in der Nacht an der Place des Moulins. Nach diesen drei Tagen hat mich Rahim zu meiner Überraschung gefragt, ob ich mit ihm nach Lissabon fahren möchte. Und zu unser beider Überraschung habe ich ja gesagt.
Rahim steht auf und öffnet das Fenster. Die Nachtluft strömt ins Abteil, dazu das lärmende Rattern der Räder. Vor der Scheibe wirkt sein Körper absolut vollkommen, nackt wie die dunkle Erde dort draußen. Er beugt sich ein wenig vor, um sich eine Zigarette anzuzünden, hält die Hand schützend vor die Flamme, die flackernd seine Handfläche und sein Gesicht beleuchtet. Drei Nächte, und ich werde es nicht müde, ihn anzusehen. Undenkbar, dass ich seiner jemals müde werde.
Er reicht mir die Zigarette, und ich nehme einen Zug, aber eigentlich wünsche ich mir etwas anderes.
»Komm her«, sage ich, ergreife seine Finger und ziehe mich hoch. Es liegt nicht in meiner Natur, mich ganz und gar dem Genuss hinzugeben, doch ich lerne allmählich dazu. Ich schmiege mich an ihn, unsere Körper fügen sich perfekt zusammen. Gesicht und Hüften und Füße, zwei nahtlose Hälften eines einzigen Wesens, zwei Flügel, die sich nach vorn falten, um den anderen zu berühren. In diesem Augenblick erscheint es mir vollkommen undenkbar, ihn jemals nicht mehr zu berühren.
Rahim ist wieder steif, seine Lippen liegen weich und warm auf meinen. Sein Mund schmeckt nach Tabak und dem billigen Rotwein, den wir vorhin aus Pappbechern getrunken haben. Doch ich empfinde wenig Befriedigung, obwohl ich bekomme, was ich möchte, denn ich will immer mehr, und dieses Wollen könnte mich irgendwann töten.
Ich schlinge meine Beine um seine Taille und schiebe mich hoch, vertraue darauf, dass er mich hält. Nebenan erklingt Gelächter, dann wird es plötzlich still. Und die unablässige Bewegung der Räder, ihre pure Kraft und Energie, trägt uns in die Nacht hinein. Der Zug wackelt ein wenig, flattert auf den Schienen. Rahim legt die Hände um meine nackten Hüften und zieht mich ganz fest an sich.
Acht
Muss ja ein Rieseneinkauf sein, dachte Valsamis, als er bei einem sirupsüßen Kaffee im Café gegenüber von Saudade saß. Vor einer guten
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