Portugiesische Eröffnung
stand ich allein im dunklen Flur.
Ich hörte sie hinten im Haus, Türen gingen auf und zu. Kurz darauf kam sie wieder. »Großvater empfängt Sie«, sagte sie mürrisch und führte mich zu ihm hinein.
Der niedrige Raum, in dem die Werkstatt von Eduardo Morais untergebracht war, hatte sich seit meinem letzten Besuch kaum verändert. In den Regalen sammelte sich Gerümpel aus einem halben Jahrhundert, ausgeweidete Uhren, Schachteln mit Uhrwerken, winzigen Zahnrädern und Bolzen. Auf der Werkbank vor dem kleinen Fenster lag eine große Tischuhr wie ein Patient auf einer Trage, das Uhrwerk bis auf die Knochen zerlegt.
Im Raum hing der typische Geruch von Öl und Metall und etwas, das ganz und gar nichts mit Uhrmacherei zu tun hatte, sondern mit Drucken. Der schmerzlich vertraute Geruch von Tinte, Azeton und jungfräulichem Papier. Das Material des Fälschers.
Als gelernter Uhrmacher besaß Eduardo Morais einen Blick fürs Detail und die dazugehörige Geduld, was ihn zu einem der besten Fälscher Europas gemacht hatte. Er hatte sein Handwerk lange vor dem Computerzeitalter erlernt, bevor Firmen wie Xerox und Hewlett-Packard es ermöglichten, quasi in Heimarbeit zu fälschen. Als ich ihn kennenlernte, arbeitete er noch von Hand. Er brauchte zwar länger, lieferte dafür aber auch Qualität statt Quantität, die ihren Preis wert war. Brauchte man auf die Schnelle Kfz-Papiere oder eine Aufenthaltsgenehmigung, war man bei Eduardo an der falschen Adresse. Benötigte man hingegen einen sauberen US-Pass und war bereit, entsprechend zu zahlen, erledigte er die Aufgabe besser als jeder andere.
Morais kauerte über einem Zeichentisch. Die Umrisse seiner Schultern wurden von der hellen Lampe erleuchtet, die er für seine Arbeit brauchte. Er winkte flüchtig mit der Hand, schob das Projekt, an dem er gerade arbeitete, in eine große Ledermappe und drehte sich zu mir um.
Er schien eher geschrumpft als gealtert. Sein Körper war in sich zusammengesackt, als hätten Knochen und Haut unter dem Druck der Zeit nachgegeben. Noch ein, zwei Jahre, dann würde er vermutlich völlig zwischen seinen Uhren und Werkzeugen verschwinden.
»Welch freudige Überraschung«, sagte er in zwanglosem Französisch und deutete auf einen verschlissenen Sessel.
»Ich bleibe nicht lange«, sagte ich, erleichtert, nicht mehr portugiesisch sprechen zu müssen. »Wie ich sehe, hast du zu tun.«
Er schüttelte den Kopf. »Unsinn. Pas du tout. Ich habe Graça gebeten, uns Tee zu bringen. Setz dich bitte.«
»Vielen Dank.« Ich setzte mich in den staubigen Sessel. Morais’ Finger waren mit Tinte verschmiert, seine Strickjacke war mit schwarzen Flecken übersät. »Leider war der Empfang nicht überall so herzlich.«
Er nickte mitfühlend. »Ich bin zu alt für kleinliches Misstrauen. Du arbeitest für Vanguard, oder? Ich meine, ich hätte so etwas gehört.«
»Für Solomon, um genau zu sein. Dazu übernehme ich den einen oder anderen freien Job. Viel mehr gab es nicht, als ich wieder draußen war.«
»Ja, du solltest dein Talent lieber nicht verschwenden. Jetzt, wo du wieder da bist, muss ich wohl auf der Hut sein.«
»Gewiss nicht.« Ich bezweifelte, dass ich es mit Morais’ Geschick aufnehmen konnte.
»Das ehrliche Leben scheint dir zu bekommen. Du siehst gut aus.«
»Du auch«, bemerkte ich lächelnd.
»Du meinst wohl alt.«
»Ganz und gar nicht.«
»Lüg mich nicht an«, schalt Morais. »Nun, meine Liebe, was kann ich für dich tun? Du bist doch wohl nicht nur um der alten Zeiten willen hergekommen.«
»Wie ich höre, ist Rahim immer noch in Lissabon.«
Morais lächelte wissend. »Natürlich, das hätte ich mir denken können.«
Es klopfte leise, dann erschien seine Enkelin mit einem Tablett in der Tür.
»Du kennst Graça?«
Ich nickte.
»Sie hält mich für alt und töricht, stimmt’s, meine Liebe?«
Das Mädchen verzog das Gesicht. »Natürlich nicht, Papi.« Sie stellte das Tablett auf ein Tischchen zwischen uns, beugte sich vor und küsste Morais auf die Wange.
»Senhorita Blake ist eine alte Freundin von Rahim Ali«, sagte er auf Portugiesisch. »Vielleicht kannst du ihr sagen, wo sie ihn findet.«
Ein Hauch von Panik huschte über ihre Züge. Dann zuckte sie störrisch die Achseln.
»Nao?«, hakte Morais nach. »Dabei war ich mir so sicher.«
»Nao«, erwiderte sie kühl, schenkte zwei Tassen Tee ein und verließ die Werkstatt.
Morais holte unter seinem Schreibtisch einen Schlüsselbund hervor. »Ich bin ihr auf Gedeih und
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