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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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gesagt, sie macht es«, knurrte Morrow.
    »Wird sie auch.«
    Im Hintergrund war eine Frauenstimme zu hören. Valsamis schnappte die Wörter »Cocktail« und »Liebling« auf. Dann wieder Morrow: »Sag ihnen, ich komme gleich.«
    Was für ein Leben, dachte Valsamis, was für ein Haus. Leichter Nieselregen, der auf den Treidelpfad und das Kopfsteinpflaster der Straßen von Georgetown fiel. Wie es drinnen aussah, konnte er sich nur ausmalen, gewachstes Holz und geschmackvolle Teppiche mit leichter Patina, Geschirr, das im Kerzenlicht schimmerte, eine Frau in einem schlichten Kaschmirpulli mit dezenter silberner Halskette. Eine Einrichtung kauft man nicht, man hat sie, hatte mal jemand aus der Agency zu ihm gesagt, ganz am Anfang war es gewesen. Danach hatte Valsamis niemanden mehr mit in seine Wohnung genommen.
    »Denk dran«, sagte Morrow. »Keine unerledigten Dinge.« Dann hängte er ein.
    29. November 1990. Ein regnerischer Spätherbst in Lissabon. Auf dem Küchentisch eine Schale Mandarinen, eine leere Flasche vinho verde und ein halber Brotlaib. In der Spüle schmutziges Geschirr vom Abendessen, auf dem Boden ein Teller mit Fischgräten für die seidig schwarze Katze, die uns adoptiert hat. Rahim nennt sie Leila, das arabische Wort für Nacht. Draußen trommelt der Regen auf die Dächer des Bairro Alto, das abgenutzte Pflaster und die glänzenden Straßen, die sich zum schwarzen Tejo hinabwinden.
    Driss ist seit drei Monaten weg, doch im Wohnzimmer summt das Radio, das er zurückgelassen hat, leise vor sich hin. Eine kaum hörbare Frauenstimme, britischer Akzent, unterbrochen von statischem Knistern. Die BBC. Es ist spät, die anderen sind schon gegangen, doch Rahim hört noch zu. Heute wurde in den Nachrichten ein Ultimatum bekanntgegeben, die UNO droht mit Gewalt. Der Beginn von etwas, mit dem wir zwar gerechnet haben, das wir uns aber noch gar nicht vorstellen können.
    Auf dem alten grünen Sessel im dunklen Schlafzimmer liegen ein schokoladenbrauner Pullover, schwarze Jeans und spitzenbesetzte Unterwäsche. Verliebt sein, dachte ich, sich nicht mehr wünschen als das. Mit einem Klick wird das Radio ausgeschaltet, und ich höre Rahim im Flur. Er legt sich ins Bett, ich drücke meinen Mund auf seine Schulter. Er fühlt sich wohl in seiner Haut, wie ein wildes Tier.
    Mehr nicht, sage ich mir noch einmal. Doch als Rahim sich zu mir dreht und mit seiner Hand über meinen Bauch streicht, spüre ich einen Knoten in mir, ein Geheimnis, das auf seine Enthüllung wartet. Etwas, das uns letztlich auseinanderbringen wird, obwohl ich es noch nicht wahrhaben will. In diesem Augenblick ist es nur ein Anflug von Angst, das schwindelerregende Gefühl, dass eine Entscheidung bevorsteht. Und in der Dunkelheit höre ich durch das Trommeln des Regens, wie Leila in der Küche die Gräten aus der Porzellanschüssel frisst.
     
    Es war schon lange dunkel, als ich zur Pensão Rosa zurückkehrte. Es regnete ein wenig, ein leichtes atlantisches Nieseln, das sich sanft auf die roten Dächer und das Kopfsteinpflaster der Stadt legte. Im Bairro Alto brannten die alten Gaslaternen und ihre rußigen Flammen ließen Schatten über den abblätternden Putz der alten Häuser tanzen. In der Rua da Rosa regte sich allmählich das Nachtleben. Gläser klirrten, Billardkugeln klickten aneinander, ein Fetzen Fado erklang.
     
    Quanto sou desgraçada
    Quanto finjo alegria
    Quanto choro a cantar …
     
    Oben auf der Anhöhe öffnete sich die Tür der Pension, und ein Paar trat Arm in Arm auf die Straße. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Gestalt im Hauseingang gegenüber, Schultern und Kopf, die sich bewegten, Augen und Zähne, die in der Dunkelheit aufblitzten. Ein Mann, vertraute Bewegungen, das erkannte ich selbst im flackernden Licht der alten Laternen.
    Ich blieb stehen und trat auf die Tür zu. »Rahim?«, fragte ich leise.
    Etwas raschelte und scharrte. Stoff an Stoff, Schuhe auf nassem Pflaster. Dann wurde es wieder still, man hörte nur das nächtliche Atmen des Bairro Alto und das Geplapper des Regens.
    »Rahim?«, rief ich noch einmal. Doch im dunklen Rechteck des Eingangs war niemand zu sehen. Dahinter führte ein schmaler Durchlass in einen dämmrigen Hof, in dem ein kahler, knorriger Olivenbaum stand.

Elf
    Sie dürfte jetzt fünfunddreißig oder sechsunddreißig sein, dachte Rahim und tauchte tiefer in den Schatten. Er rechnete rasch zurück, erinnerte sich, wie jung Nicole, wie jung sie beide gewesen waren.
    Ihr Haar war noch immer

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