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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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für uns beide und verließ das Café.
    Es war ein trüber Nachmittag in Cacilhas, nass und grau, die Luft über dem Wasser schwer vom gelblichen Rauch der Fabriken. Unter den segnenden Armen des Cristo-Rei-Denkmals dampften die Schlepper durch den Hafen, die rot-weißen Rümpfe hoben sich wie bunte Vögel vom dunklen Flusswasser ab.
    Abends besuchten die wohlhabenden Bürger von Lissabon gern die Fischrestaurants am diesseitigen Ufer des Tejo, doch tagsüber gab es keinen Anlass, nach Cacilhas zu kommen, außer man wohnte oder arbeitete hier. Es war ein ärmliches Städtchen, dessen Trostlosigkeit durch Regen und Kälte, die dumpfe Patina aus nassem Schlamm und Ruß, die Straßen und Gehwege überzog, noch verstärkt wurde.
    Zu meiner Überraschung stimmte die Wegbeschreibung des Mannes, und ich fand die alte Molkerei ohne Probleme. Sie lag ganz am Ende einer Sackgasse. Das azulejo, das ehemalige Firmenschild, hatte schon bessere Zeiten gesehen. Manche Fliesen waren zerbrochen oder fehlten ganz, die übrigen waren vernarbt und fleckig, doch das in zartem Blau gehaltene Milchmädchen sah so lieblich aus wie eh und je. Ihr üppiger Busen und das kokette Lächeln waren absolut vollkommen.
    Bis auf eine schwarz-weiße Katze, die sich im Schutz des Eingangs zusammengerollt hatte, gab es keine Anzeichen von Leben. Die Läden des klapprigen Hauses waren verschlossen; die Molkerei selbst stand offenbar schon lange leer.
    Ich trat in den überwucherten Durchgang links neben dem Gebäude. Die Katze erhob sich und sauste an mir vorbei, wobei sie lautstark miaute. Sie sprang die rostige Eisentreppe hinauf, die zu einem kleinen Absatz und einer fensterlosen Tür im ersten Stock führte.
    Ich suchte den Boden nach etwas ab, mit dem ich das Vorhängeschloss aufbrechen konnte, und entdeckte schließlich ein Stück von einem eisernen Geländer.
    Die Katze miaute wieder und kratzte ungeduldig an der Tür. Sie wartete auf etwas, das sie früher hier gefunden hatte – Futter, Wasser oder Zuneigung, vielleicht auch alles zusammen. Sie wirkte gut genährt, zu gut. Vermutlich trächtig.
    Ich stieß sie sanft beiseite, klemmte die Spitze der Eisenstange zwischen Holz und Schließblech und zog mit aller Kraft daran. Die Schrauben knackten und stöhnten, als ihr Gewinde das alte Holz zerriss. Ich zog noch einmal, stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht gegen das Eisenstück, dann sprangen die Schrauben heraus.
    Die Katze huschte an mir vorbei, als ich vorsichtig in die spärlich eingerichtete, improvisierte Wohnung trat. Das Eisen hielt ich fest umklammert.
    An der hinteren Wand stand ein schmales Bett mit Decke und zerknittertem Laken. Daneben führte eine Tür in ein primitives Badezimmer. Außerdem gab es eine Küche mit Kühlschrank, verschmutztem Waschbecken und Kochplatte, dazu zwei offene Schränke, in denen nur eine Kaffeedose und angeschlagenes Geschirr standen.
    Mitten im Zimmer befand sich ein improvisierter Tisch, der aus einer Sperrholzplatte und vier stabilen Kisten bestand. An beiden Seiten war eine Lampe mit einem soliden Auszieharm befestigt. Ein Hinweis auf den Zweck, dem die Wohnung in Wirklichkeit gedient hatte. Glühbirnen, die so hell waren, dass man selbst den winzigsten Fehler in einem Dokument entdecken konnte. Rechts vom Tisch stand ein Kombigerät aus Digitaldrucker, Kopierer und Scanner auf dem Boden.
    Zu meiner Zeit gab es die Ein-Stunden-Regel – das war die Zeit, die man brauchte, um alle belastenden Hinweise aus einem Raum zu entfernen. Und heute? Zwanzig Minuten?
    Zehn? Mittlerweile reichte ein Laptop für fast jeden Job, und den konnte man überallhin mitnehmen. Was Rahim zweifellos auch getan hatte, denn es war kein Computer zu entdecken. Und auch sonst nichts Interessantes.
    Ich hob den Deckel des Kopierers und schaute hinein. Unwahrscheinlich, aber es lohnte den Versuch, da viele Leute das letzte Dokument vergaßen. Die Glasplatte war leer.
    Die Katze fauchte mich aus der Küche an, sie schien ganz verzweifelt.
    »Freu dich bloß nicht zu früh«, warnte ich sie und öffnete den Kühlschrank. Doch sie hatte recht. Drinnen stand eine halbvolle Flasche Milch, daneben eine geöffnete Dose Sardinen. Die Milch war sauer, der Fisch aber noch genießbar. Ich stellte die Dose auf den Boden, und sie fiel gierig darüber her.
    »Braves Mädchen«, sagte ich und strich ihr sanft über den Rücken. Sie leckte die Dose sauber und hob dann unvermittelt den Kopf. Ihr ganzer Körper spannte sich, sie hatte die Augen auf

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