Portugiesische Eröffnung
meinem russischen Freund jede Minute zuzugestehen.
Nachdem ich den Müll gelöscht hatte, folgte ich Graças Beispiel und gab Valsamis’ Namen in eine Suchmaschine ein. Jede Menge Ergebnisse. Ein Schiffbauingenieur in Houston, eine Hochzeitsanzeige aus einer Kleinstadtzeitung im Norden von New York, die Homepage eines Teenagers. Nichts, was auch nur entfernt mit dem John Valsamis zu tun hatte, nach dem ich suchte. Um mir die Zeit zu vertreiben, wählte ich eine andere Suchmaschine und gab dort noch einmal seinen Namen ein.
Valsamis hatte der junge Mann gefallen, als er ihn im Dämmerlicht an der Theke stehen sah, doch hier in der schäbigen Wohnung wirkte er geradezu schön. Er berührte die Schulter des schlafenden Jungen und strich vorsichtig über dessen Schlüsselbein. Sein Haar roch nach Zedern und Zigarettenrauch, nach Schweiß und fast verflogenem Eau de Cologne. Seine Brust war glatt und zart, die Haut leuchtend blass.
Irgendetwas an dem jungen Mann war seltsam gewesen. Er benahm sich passiv und doch kraftvoll wie eine unerfahrene Hure, bot seinen Körper dar und hielt dennoch etwas zurück, was ihn für Valsamis nur noch begehrenswerter gemacht hatte.
Er wälzte sich aus dem Bett, zog sich leise an, legte zwei 20-Euro-Scheine auf den Tisch in der Diele und verließ die Wohnung.
Die Nacht hatte gerade erst begonnen, und die wimmelnde Gegend um den Praça do Principe Real fand erst jetzt ihren Rhythmus. Gruppen von Männern flanierten auf den schmalen Straßen. Wie in einer arabischen Stadt, dachte Valsamis und erinnerte sich an die Cafés in Kairo und Damaskus, wo Männer Arm in Arm gingen und nach billigen Kopien europäischer Düfte rochen. Eine Welt, in der es keine lästigen Geschlechterdiskussionen gab.
Ein junger Mann überquerte die Straße und kam auf ihn zu. Valsamis zuckte zusammen und dachte an die Wohnung, die er soeben verlassen hatte, an den abgestandenen Geruch und das Gemeinschaftsbad auf dem Treppenabsatz, für das sich der Junge offenkundig geschämt hatte.
Das Handy in seiner rechten Brusttasche klingelte. »Ja?«
»Wir haben soeben einen Treffer verzeichnet, Sir.« Diesmal eine Frauenstimme, ziemlich jung, mit leichtem Südstaatenakzent. Nie zweimal derselbe Anrufer. Wie machten die das nur? Zwölfstundenschichten am Computer in irgendeinem Kellerloch, und in den übrigen zwölf Stunden sollte man tunlichst vergessen, was man gesehen oder gehört hatte. An den Wochenenden Grillabende im Garten, bei denen niemand über seine Arbeit sprechen mochte.
»An welchem Ort?«, erkundigte sich Valsamis.
»Kommt gerade herein, Sir. Sind Sie bereit?«
»Nur zu.«
»126 Rua Diário de Notícias. Sieht nach einem öffentlichen Server aus.«
Das Café über São Roque. Höchstens eine Viertelstunde Fußweg. »Ist sie noch online?«
»Ja, Sir. Haben Sie weitere Fragen, Sir?«
»Nein«, antwortete Valsamis.
Auch die nächste Suche ergab keine Treffer außer dem Ingenieur, dem frischgebackenen Ehemann und einem griechischen Musiker. John Valsamis war nicht zu finden. Ich loggte mich wieder in meinen E-Mail-Account ein und fand diesmal tatsächlich eine Nachricht vor.
Woher Sergej seine Informationen bezog, wusste ich nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Ich wusste nur, dass mein Freund über ein Netzwerk verfügte, das mindestens so gut funktionierte wie jeder Kleinstadtklatsch, ein elektronisches Netz aus alten und neuen Kontakten zwischen Minsk und Mexico City.
John Valsamis, hatte er in seiner typisch knappen Antwort geschrieben, U.S. Central Intelligence Agency, Abteilung Nahost, aktiv in Istanbul, Kairo, Beirut. Seit 1997 im Ruhestand.
Wieder durchfuhr es mich wie ein Stromstoß. Beirut. Das konnte kein Zufall sein, diese Stadt, die uns verband, Valsamis, al-Rashidi und mich. Eine Autobombe, hatte Valsamis an jenem Abend in meiner Küche gesagt und auf das Mädchen und seine Mutter gedeutet. Dazu der Anflug eines Lächelns, als er mein Haus verließ. Er hatte von meiner Mutter gewusst und dass ich zustimmen würde, Rahim zu finden. Er hatte gewusst, wie ich meine Entscheidung vor mir selbst rechtfertigen würde: dass ich nicht aus Zorn oder Angst, sondern aus edleren Beweggründen gehandelt hatte.
Was hatte mein Vater immer gesagt? Einen ehrlichen Menschen kannst du nicht betrügen.
Ich schaute hoch und sah, wie Graça von ihrem Barhocker glitt. Sie winkte mir zu und deutete auf die Tür mit der Aufschrift WC.
Valsamis schlug den Mantelkragen hoch und ging die
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