Portugiesische Eröffnung
und ich gehörten zu den vielen wohlhabenden Beirutern, die in ihren Wochenendhäusern an der Küste bei Jounieh Zuflucht suchten. Die Hafenstadt war keine dreißig Kilometer von Beirut entfernt, bot aber eine völlig andere Welt, die unberührt war von der wütenden Zerstörung und den heimatlosen Flüchtlingen, die das Bild der Hauptstadt prägten.
Meine Mutter hatte sich längst entschlossen zu bleiben. Diesmal würde sie den Krieg nicht aus der Ferne beobachten, wie sie es damals in Paris getan hatte. Meine Großmutter hütete sich, ihr zu widersprechen, doch mein Großvater hatte sich heftige Auseinandersetzungen mit ihr geliefert.
Letztlich hatte meine Mutter gewonnen. Sie war wie viele Bewohner der Stadt geblieben, weil sie an den heldenhaften Widerstand glaubte, so bescheiden er auch sein mochte. Sie trotzte dem Krieg, indem sie inmitten von Autobomben und Raketeneinschlägen ihren Unterricht erteilte und damit den Lebensunterhalt für uns beide verdiente. Das erzählte sie uns jedenfalls.
Doch schon damals war mir klar, dass sie nicht nur aus Pflichtgefühl in Beirut geblieben war. In jenem Frühling war sie oft unterwegs, kam spät vom Unterricht heim, ging abends noch weg und erschien erst am nächsten Morgen zum Frühstück, genau wie an dem Tag, nachdem wir Petra im Theater gesehen hatten. Sie und meine Großmutter wahrten den Waffenstillstand, doch wenn ich abends im Bett lag, hörte ich meine Großeltern streiten.
Als wir im Juli nach Jounieh aufbrachen, verstauten wir Porzellan und Familienfotos im Mercedes; Sepiadrucke, auf denen meine Mutter und ihre Schwester in Schuluniform zu sehen waren, Picknicks unter den Zedern, elegante Frauen in langen schmalen Abendkleidern. Schnappschüsse aus einer anderen Zeit. Meine Mutter stand in einem eleganten Pariser Hosenanzug auf den Stufen des Wohnhauses in Achrafiye und winkte uns nach.
Ich erwartete nicht viel von der Wohnung, da Rahim die wichtigen Dinge vermutlich in der Werkstatt in Cacilhas aufbewahrt hatte. Dennoch wollte ich herkommen, weil ich auf Antworten hoffte. Und ich wollte mehr, eine greifbare Erinnerung an unser Leben in der Travessa de Laranjeira, an den alten grünen Stuhl oder den Küchentisch mit den Messerkerben, Zeugen unserer Vergangenheit.
Rahims Wohnung war bereits geplündert worden. Man hatte die Schubladen ausgeleert, Matratze und Kissen aufgeschlitzt, die Schränke in einer Weise durchsucht, die rücksichtslos und sorgfältig zugleich war, als hätte man gewusst, dass Rahim nicht zurückkommen würde.
Im Schlafzimmer hielt ich inne und betrachtete das Chaos um mich herum: Glasscherben, ein Haufen Bettwäsche auf dem Boden. Das Fenster stand offen, und es hatte mehrfach hereingeregnet, sodass die Vorhänge von dunklem Schimmel überzogen waren. Es roch muffig nach durchnässtem Stoff. Alles weg, dachte ich – das alte eiserne Bettgestell, die Frisierkommode aus Mahagoni und der Sessel mit dem abgenutzten grünen Gobelinmuster aus Blumen und Weinranken.
Es regnete, ein leichtes Nieseln, das als Nebel vom Atlantik hereinwehte. Ich ging ans Fenster und schaute über die Travessa da Agua de Flor und die Dächer des Bairro Alto, bis sich der Regen wie ein Film auf Gesicht und Haare legte. Ich konnte hören, wie Graça im Wohnzimmer durch das Chaos stolperte.
Hier hatten sie sich geliebt, dachte ich und schaute zum Bett. Ich schloss die Augen und versuchte, mir seinen veränderten Körper vorzustellen, gezeichnet von den Spuren des Alterns, die ich auch an mir selbst feststellte. Dennoch sah ich ihn so, wie er an jenem Abend vor vielen Jahren gewesen war, im Zug aus Marseille. Jung und makellos, wir beide.
Ein Amateur, hörte ich Graça dolmetschen, als Gomes’ Worte sie wie eine Ohrfeige trafen. Die Demütigung, die ein junger, unerfahrener Mensch erlebte, der Verlust ihres Selbstbilds.
Ich holte die Kopie der Rechnung aus der Manteltasche und faltete sie auseinander. Überflog den Briefkopf, las sie noch einmal gründlich, um das zu sehen, was Rahim darin gesehen hatte. Verdächtig, hatte Sergej es in seiner E-Mail genannt. Nicht nur die Abmessungen, auch der Versandweg. Eine Frage ließ mir nach wie vor keine Ruhe: Warum Basra ganz offen als Zielort angeben, wenn man das Embargo umgehen wollte? Zumal die Lieferung über Sharjah ging. Warum machten die Amerikaner nicht publik, dass die Iraker schmutzige Bomben aus dem Arsenal der ehemaligen Sowjetunion beziehen wollten?
Nein, dachte ich, nachdem ich das Problem wieder
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