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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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ruhig, sagte ich mir noch einmal. Ich wollte nur Valsamis treffen, doch ihre Körper verschmolzen miteinander. Mein Finger lag am Abzug. Ich hörte das Pochen meines eigenen Herzens.
    Die beiden hatten die gegenüberliegende Ecke des Hauses erreicht und blieben unvermittelt stehen. Zuerst dachte ich, Valsamis hätte mich gehört, doch er wandte sich zum Wald und ließ den Blick auf dem dunklen Saum der Bäume ruhen. Der Marder, dachte ich mir, oder eine Eule auf der Suche nach Nahrung.
    Dann entdeckte ich an der Gartenmauer eine Gestalt, die durchs Unterholz schlich. Lucifer.
    »Luce«, flüsterte ich warnend, »nein!« Aber es war zu spät.
    Der Hund sprang in den Garten und wühlte sich mit den Vorderbeinen durch die Schneewehen. Das Fell war gesträubt, und er fletschte die Zähne. Er machte einen Satz vorwärts, kauerte sich vor Valsamis nieder und knurrte drohend.
    Valsamis betrachtete den Hund, nahm die Waffe von Graças Hals und zielte auf Lucifers Kopf. Es war eine fließende, mühelose Bewegung, Hand und Arm waren perfekt aufeinander abgestimmt, als wäre die Waffe ein Teil seines eigenen Körpers. Ein Schuss, dann noch einer, und Lucifer brach im Schnee zusammen. Ein dritter Schuss!
    Valsamis drehte sich um, und ich feuerte noch einmal. Meine Hände hatte ich fest um den Griff der FEG gelegt, als hätte ich nie eine andere Waffe benutzt. Die zweite Kugel traf ihn in den Unterarm, und die Pistole sprang ihm förmlich aus der Hand.
    »Los! Ins Haus!«, rief ich Graça zu.
    Sie riss sich los und taumelte davon, ihre Stiefel wirbelten den Schnee auf. Dann war sie hinter dem Haus verschwunden.
    Ich richtete die Waffe auf Valsamis’ Kopf, feuerte aber nicht.
    »Runter! Auf die Knie!«
    Er zögerte und hielt sich den verletzten Arm. Dann kniete er sich langsam in den Schnee.

Sechsundzwanzig
    Als Valsamis ins Commodore kam, waren die Feierlichkeiten schon in vollem Gange. Es herrschte eine übertriebene Fröhlichkeit, als wollten die Einheimischen ihren Gästen zeigen, wie gut man in Beirut zu feiern verstand, und die Besucher sehnten sich nach der zwanglosen Kameradschaft in Kriegszeiten.
    Das Hotel war nicht die erste Wahl. Zu viele Journalisten und zu viele westliche Gäste, die an der Theke herumhingen und Scotch mit Soda tranken. Doch seit der Belagerung und den Angriffen auf die multinationalen Streitkräfte vor einem Monat konnte man im Grunde nirgendwo anders hingehen, sodass alle das Beste daraus machten. An der Theke saßen zwei Journalistinnen, eine schwedische AP-Fotografin und eine junge Reporterin von der Irish Times, die die kostenlosen Getränke genossen.
    Valsamis bestellte einen Bourbon und entdeckte in einer Ecknische Kip Bryce, einen braven Mormonen, den man kürzlich aus Kairo herversetzt hatte. Er schien als Einziger nüchtern zu sein. »Haben Sie den Chief gesehen?«, erkundigte sich Valsamis. Der Abteilungsleiter musste unbedingt von seiner Begegnung mit Mina erfahren.
    Bryce schüttelte den Kopf. »Er und Sproul sind in den Chouf gefahren.«
    »Wissen Sie, wann sie zurückkommen?«
    Der junge Mann zuckte die Achseln. »Irgendwann heute Abend. Vermutlich sind sie an einem Kontrollpunkt aufgehalten worden.« Seine Augen wanderten durch den Raum und verharrten bei der Irin an der Theke.
    Siobhan, dachte Valsamis, so hatte sie geheißen. Sproul hatte sie ihm einmal im Summerland vorgestellt. Valsamis hatte ihn damals ganz schön aufgezogen. Der Feind in Ihrem Bett, hat er gesagt, als er Sproul am nächsten Morgen in der Botschaft begegnete. Das war ein Witz gewesen, aber Sproul hatte ihn gar nicht lustig gefunden.
    »Verdammte Scheiße«, hatte er gekontert und sich dann eilends entschuldigt. »Ich meine, wir wollen doch alle das Beste für dieses Land, oder?«
    Valsamis hatte gelacht und es sofort bedauert, als er Sprouls gekränkten Blick bemerkte. Zum ersten Mal hatte er begriffen, dass es dem jungen Mann wirklich ernst war.
    Valsamis ging an die Theke und spielte dabei mit dem Zettel in seiner Hosentasche. Islamischer Heiliger Krieg. Im Geiste wiederholte er den Namen, den Kanj der neuen Gruppierung gegeben hatte. Er war noch unbekannt, obwohl sich etwas Derartiges abzeichnete, seit Gerüchte über eine Spaltung innerhalb der Amal-Miliz kursierten. Eine neue, noch beängstigendere Gruppierung der schiitischen Miliz, die von den Iranern finanziert wurde.
    »Warum haben arabische Mädchen in jeder Tasche einen Fisch?«, fragte ein Agent namens Jack Bentley die beiden Frauen an der Theke.

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