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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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wartete im Hauseingang gegenüber der Botschaft; er entdeckte sie sofort. Sie hatte die Haare unter einem Kopftuch verborgen und trug wie viele junge Schiitinnen ein bescheidenes, kittelartiges Kleid. Ein wenig überzeugender Versuch, sich zu tarnen, denn hier im Nordteil der Stadt fiel sie durch diese Kleidung nur noch mehr auf.
    Valsamis ging nicht hinüber. Er signalisierte, dass er sie bemerkt hatte, und ging weiter, wobei er auf ihre Schritte hinter sich auf dem Gehweg horchte. Diese Situation war eigentlich nicht vorgesehen, also gab es keine festen Verhaltensregeln. Schließlich betrat Valsamis ein Café in der Rue Clémenceau.
    Alle bisherigen Treffen hatten auf Minas Territorium stattgefunden, und Valsamis spürte, wie nervös sie war. Sie ließ ihren Blick durch das Café schweifen, während sie auf ihn zukam. Sie setzte sich an den nächsten Tisch, bestellte einen Kaffee und trank ihn, schnell und ohne Valsamis anzuschauen.
    Dann stand sie auf, warf ihm einen hastigen Blick zu und legte ein gefaltetes Blatt neben seine Kaffeetasse auf den Tisch. Ihre Hand zitterte, ihr Gesicht wirkte blass unter dem Tuch. Sie wusste, sie war ein ungeheures Risiko eingegangen. Und Valsamis wusste das auch.
    »Das soll ich Ihnen von Sabri geben.« Sie verließ das Café und trat hinaus auf die dunkle Straße.
     
    Valsamis blieb am Rande des Gartens stehen, seine Schuhe versanken im Schnee. Er war außer Atem und spürte nur, wie seine alten Lungen mit der Kälte rangen. Die Lungen seines Vaters, dachte er, und war wieder in den Pintlers, wo er dem alten Mann in irgendein entlegenes Dickicht folgte. Trotz vierzig Jahren Lucky Strikes war ihm sein Vater beim Wandern eindeutig überlegen gewesen.
    In Nicoles Einfahrt stand kein Auto, doch Küche und Wohnzimmer waren hell erleuchtet. Hinten im Garten, wo sich die steinerne Mauer wie ein Wal aus dem Schnee erhob, waren zwei verschiedene Fußspuren zu erkennen, die vom Wald zum Haus führten.
    Valsamis holte die Ruger aus dem Mantel und prüfte ein letztes Mal die Ladung, bevor er den Schalldämpfer auf den Lauf schraubte. Da der Abend so still war, würde man einen Schuss bis hinunter ins Tal hören. Er ließ die Augen über den Garten schweifen und bewegte sich langsam vorwärts. Irgendwo in der Ferne, jenseits des dunklen Saums der Bäume, erklang das einsame, wilde Gebell eines Hundes.
    Da wäre natürlich noch Nicoles Hund, dachte Valsamis, während er sich der Küchentür näherte. Der Hund, die beiden Frauen und die Schrotflinte, die er bei seinem ersten Besuch im Flur gesehen hatte.
    Valsamis betrat den Garten, hielt aber abrupt inne. Die Seite des Hauses war dunkel, doch im schwachen Licht, das der Schnee reflektierte, konnte er die Gestalt einer Frau ausmachen. Allerdings nicht die von Nicole.
    Es war Graça Morais, er konnte ihr langes dunkles Haar erkennen. In einer Hand trug sie einen Korb. Sie ging zum Hühnerstall und schlüpfte hinein.
     
    In dem kleinen Häuschen war es überraschend warm. Die Hennen hockten auf ihren Nestern, der Hahn thronte auf einem dicken Balken, seine Eidechsenaugen glitzerten wie gemahlenes Glas. Graça schloss die Tür hinter sich, schaltete die Campinglaterne ein, die sie aus der Küche mitgenommen hatte, und stellte sie auf einer Hühnerstange ab. Die Tiere wurden unruhig, raschelten mit den Flügeln und stießen ein warnendes Gegacker aus.
    Es ist besser so, hatte Nicole gesagt. Jede von ihnen musste nur das wissen, was sie zum Überleben brauchte. Und doch verstand Graça mehr, als ihr lieb war, verstand, welchen Preis Rahim für seine Hilfe gezahlt hatte.
    Sie schloss die Augen und dachte an das Haus ihres Großvaters in der Alfama, in das sie nie wieder zurückkehren konnte.
    An das schadhafte Mosaikgesicht des heiligen Vinzenz über der Haustür, den winzigen Garten, die Terrasse, auf der sie Rahim zum ersten Mal gesehen hatte und auch Nicole. Später hatte sie durchs Wohnzimmerfenster beobachtet, wie sich die beiden unter einer der Gaslaternen umarmten. Rahims Hand unter Nicoles T-Shirt. Nicoles Mund an seinem Ohr. Dann erklang ein leises Geräusch, und sie waren verschwunden, den Hügel hinunter. Damals war ihr Nicole weltgewandt vorgekommen und ähnlich geheimnisvoll wie Eduardos Werkstatt, die Gefäße mit Tinte und Azeton, die Regale mit den Werkzeugen, die Graça nicht berühren durfte.
    Aus ebendiesem Grund hatte sie sich auch in Rahim verliebt – nicht in den Mann, sondern in die Idee, den Ort, von dem er stammte, und das

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