Poseidon - Der Tod ist Cool
Rauschen. Frenzel rannte aus seiner Wohnung zum Briefkasten im Hausflur.
Bullshit. Völlig überfüllt.
Hastig riss er den Inhalt heraus.
Die aktuelle Zeitung – da.
Das Datum sprang Frenzel ins Gesicht. Vor Bestürzung fiel ihm die gesamte Post aus den Händen.
Mittwoch! Hallers letzter Anruf ist schon zwei Tage her. Ich war eine Woche in Falks Keller gelegen. Wahnsinn.
Ich habe eine Woche geschlafen.
Der Kaffeeduft strömte in den Korridor. Sein Magen krampfte erneut. Die Zunge klebte am Gaumen.
Ich kann mich nicht erinnern, gegessen oder getrunken zu haben.
Frenzel torkelte einige Schritte nach hinten, bis er mit seinem Rücken die Wand berührte.
Sieben Tage.
Die Kälte punktierte ihn.
Ohne Nahrung.
Sie öffnete einen Pfropfen an seiner Wirbelsäule.
Ohne Wasser.
Durch diesen Spalt quetschte sich die Ungeheuerlichkeit der Erkenntnis bis in sein Gehirn.
Das kann nicht sein.
Frenzel stand einige Minuten reglos da. Erst als er am ganzen Körper fror, wurde er sich seiner Nacktheit bewusst. Er stolperte in die Wohnung zurück. Die Pizza verströmte ihr Aroma.
Er verspürte keinen Appetit mehr.
44. Kapitel
Haller saß hinter seinem Schreibtisch und schnitt sich die Fingernägel.
Mit einer Papierschere.
Die Hornreste flogen in hohem Bogen quer durch das ganze Büro. Einer landete in seiner mit Kaffee gefüllten Tasse. Als er seinen nächsten Schluck nahm, verirrte sich dieser in dessen Mundhöhle. Haller spürte ihn befremdlich auf seiner Zunge, spuckte ihn unweigerlich aus.
Direkt auf Frenzels Personalakte.
Haller blätterte unmotiviert hin und her. Eigentlich beschäftigte er sich mehr aus Pflichtgefühl heraus mit dem Inhalt, als aus wirklichem Interesse. Schließlich stand er die ganzen Jahre in schärfstem Konkurrenzkampf zu Frenzels Abteilung und dessen Mentor und Chef, Nowotny. Der eben auch sein Chef war. Bis zu seinem Tod.
Frenzel, mein Freund, jetzt herrschen andere Zeiten. Die Partie ist eröffnet. Ich bin am Zug. Du solltest wissen: Für mich zählt nur ein Matt.
Im selben Moment, als Haller seine
kosmetischen
Maßnahmen beenden wollte, schlug die Bürotür mit einem lauten Knall an die Wand. Vor Schreck fiel ihm die Schere aus der Hand. Sie zerschmetterte die Kaffeetasse. Das Getränk ergoss sich über den kompletten Schreibtisch, überschwemmte alle darauf gelagerten Gegenstände und Dokumente, um sich schließlich auf Hallers teurer Armanihose auszubreiten. Das Gebräu landete punktgenau in Höhe von Hallers Geschlechtsteil, brannte ihm sein kolumbianisches Aroma ein.
„Au, verdammt! Mist, sind Sie noch bei Trost, hier so hereinzustürmen?“
Hallers griff sich in den Schritt und massierte sich den Schmerz aus seinem Glied.
Am liebsten würde ich dir das dumme Grinsen aus deinem Gesicht schlagen.
Haller kochte vor Zorn, er konnte es mühelos mit der Temperatur des Kaffees aufnehmen.
„Ich habe mehrmals geklopft“, antwortete Frenzel.
„Überhaupt, wo waren Sie die ganze Zeit? Seit einer Woche sind Sie wie vom Erdboden verschluckt. Das einzige Lebenszeichen von Ihnen war ihr zu Schrott gefahrener Wagen.“
Haller begab sich zum Waschbecken. Er versuchte verzweifelt, von seiner Hose zu retten, was noch zu retten war. Die Schweinerei auf seinem Schreibtisch interessierte ihn nicht wirklich - immer mehr Akten sogen sich mit Kaffee voll, weichten auf und verfärbten. Er bearbeitete sein Beinkleid mit der selben Intensität, wie vorher seine Fingernägel. Das Ergebnis war das gleiche.
Unbefriedigend.
Stümperhaft.
„Ich höre immer noch nichts! Sind Sie in der einen Woche ihrer Abwesenheit stumm geworden?“
Haller drehte sich um - er sah lächerlich aus: mit hochrotem Kopf, zersaustem Haar, sein Hemd aus der Hose hängend, stand er da.
Frenzel grinste einfach weiter. Er machte keinen Mucks. Haller platzte endgültig der Kragen.
„Machen Sie schon endlich Ihr verdammtes Maul auf! Oder soll ich Ihnen jedes Wort einzeln aus Ihrem schwulen Arsch prügeln?“
Haller verlor völlig die Beherrschung. Er stürzte sich auf Frenzel.
Frenzel hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Die Ereignisse der Vergangenheit kreisten in seinem Kopf, nötigten ihn, eine Wahl zu treffen. Auf dem Weg ins Präsidium schälte sich die Entscheidung heraus - er musste Falk auf seine Weise erledigen. Als Polizist wäre ihm das unmöglich. Deshalb wollte er den Dienst quittieren.
Frenzel ließ Haller auf sich zukommen, bis dieser in Reichweite war. Er täuschte einen
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