Poseidon - Der Tod ist Cool
Gepäck, das in einem Schließfach am Bahnhof verstaut lag, weil er es nicht auf seiner Suche nach einem Restaurant mit sich herumschleppen wollte.
Gott-sei-Dank! Meine Knarre wäre ich sonst los.
Beim Gedanken, seinem Widersacher ohne Waffe gegenüberstehen zu müssen, fröstelte er. Er zog seine Knie näher an sich heran. Nur die Dunkelheit deckte ihn zu.
Frenzel schloss sein Auge - er arrangierte sich mit der Situation. Er war überzeugt, die Nacht in italienischer Gefangenschaft zu verbringen.
Ein
Gentleman Agreement.
Zwischen Haller und Galati.
Frenzel spürte nicht, dass Falk langsam seinen Arm um ihn legte. Für einen letzten Tanz.
61. Kapitel
Die Schwärze der Nacht zerfloss am Horizont. Tinte, die alles durchdrang und scheinbar im Nichts versickerte. Das Zirpen der Grillen schwang sich durch die Lüfte. Ein schwacher Wind beugte die Halme auf den Wiesen. Der See lag schläfrig in seinem Schoß.
Alles schien friedlich.
Doch etwas stimmte nicht.
Eine Veränderung fand statt. Unsichtbar schlich sie heran. Sie gebar ihre Kinder ins Nass, bis deren Köpfe in den Himmel ragten und im Mondlicht glitzerten. Ihre Brut breitete sich Meter für Meter an der Oberfläche des
Lago di Garda
aus. Ein Schatten, der sich von Wärme nährte und Kälte ausspie. Sein Hauch erstickte das Spiel der Wellen, bis sie erstarrten.
In dieser Augustnacht gefror der Gardasee bei einer Außentemperatur von vierundzwanzig Grad Celsius. Die Dicke der Eisschicht nahm kontinuierlich zu. Sie betrug in den frühen Morgenstunden bereits mehr als fünfzehn Zentimeter.
62. Kapitel
Galatis Schädel schmerzte.
Zu viel Nikotin. Zu viel Koffein. Gift bleibt eben Gift.
Wie zum Trotz riss er das Zellophan von einer weiteren Packung
Rot Händle
, öffnete das Siegel und fingerte sich eine Zigarette heraus. Er schob sie zwischen seine Lippen, die in den letzten Stunden von ihrer Fülle und Farbe verloren hatten. Sein Blick wanderte über den Schreibtisch. Nur der überquellende Aschenbecher trübte das Bild des ansonsten akkurat geordneten Arbeitsplatzes. Er fuhr mit den Fingern über die Oberfläche des aus Pinienholz gefertigten Möbelstückes. Die Kühle strahlte auf seine Hand aus, beruhigte ihn aber nicht.
Galati sah auf die Uhr.
Er müsste jeden Augenblick hier sein.
Ein weiterer Zug.
Ein weiterer Schluck.
Es hämmerte ohne Unterlass in seinem Kopf. Es waren nicht nur die Zigaretten und der Kaffee. Es war der Stress. Die ganze Situation. Der ganze Tag.
Und nicht zuletzt der Anblick der beiden Leichen.
Herrgott noch mal, er hatte sich nicht für eine Laufbahn bei den
Carabinieri
entschieden, um sich mit Mördern herumzuschlagen. Er hatte das beschauliche Leben im Dienste des Staates gewählt, um in einem friedlichen Touristenkaff eine ruhige Kugel bis zu seiner Pensionierung zu schieben, aufgepeppt durch den einen oder anderen Autodiebstahl. Oder Handtaschenraub. Und besaß ein Mann in Uniform bei den Damen nicht einen ganz besonderen Schlag? Noch dazu von seinem Kaliber?
Aber Mord?
Das stand ganz und gar nicht auf seinem Plan. Wenn es wenigstens irgendein Penner gewesen wäre, aber es mussten ja gleich
zwei
Polizisten sein. Als ob einer nicht schon genügt hätte.
Deutsche Polizisten.
Galatis Nervosität stieg, während der Zeiger der Uhr über das Zifferblatt schlich.
Kurz vor Mitternacht.
Die Asche seines Glimmstängels erhellte sich für die Dauer eines Augenzwinkerns, bevor sie sich von der Spitze löste. Sie segelte in die Kaffeetasse vor ihm, ging zischend darin unter. Galati rieb seine Augen. Müdigkeit mischte sich mit Benommenheit - ihm steckten fast achtzehn Stunden Dienst in den Knochen. Umständlich schälte er sich aus dem Bürostuhl und steuerte das gegenüberliegende Fenster an. Mit tiefen Zügen sog er die Nachtluft in die Lungen. Etwas vom Nebel, der über seiner Stimmung lag, verzog sich.
Sein Telefon klingelte. Galati hob ab.
„Pronto?“
Er nickte kurz mit dem Kopf und brummelte in den Apparat. Galati hatte den Hörer gerade aufgelegt, da öffnete sich die Tür. Er blickte in ein ihm unbekanntes Gesicht. Er rang sich ein Lächeln ab und ging mit ausgestreckter Hand auf den Fremden zu.
Haller betrachtete das Telefon in seiner Hand - seit mehr als einer Minute verharrte er nun in dieser Position. Zweiundsiebzig Sekunden, in denen sich das soeben geführte Gespräch ständig in seinen Gedanken wiederholte. Trotzdem fiel es ihm schwer, das Gehörte zu glauben.
Anzunehmen. Zu
Weitere Kostenlose Bücher