Poseidon - Der Tod ist Cool
in den Schlund des Grundes gezogen wurde. Die Kälte griff nach ihm, als er die Wasseroberfläche durchbrach und in die Tiefen des Sees hinabtauchte. In Sekundenschnelle verlangsamte sich sein Herzschlag. Seine Körpertemperatur fiel um mehrere Grad. Mit kräftigen Zügen entfernte er sich vom Ort des Verbrechens. Das Wasser des Gardasees umspülte seinen Körper, der geschmeidig wie ein Fisch durch die Fluten glitt.
Er
hörte
es sprechen.
In Tausend Stimmen.
Sie flüsterten ihm zu, erzählten längst vergessene Geschichten, sangen Weisen einer anderen Zeit.
Einer anderen Dimension.
Mein Jünger wird mein Werk vollenden. Niemand wird sich ihm in den Weg stellen. Stellt sich mir in den Weg. Die Zeit der letzten Zusammenkunft rückt unaufhaltsam näher. Die Samen sind gesetzt. Es beginnt. Schon morgen. Unaufhaltsam wird Poseidons Wille den Ihren brechen.
Seine Lippen formten stumm die Worte aus der Bibel nach:
Da verendeten alle Wesen aus Fleisch, die sich auf der Erde geregt hatten, Vögel, Vieh und sonstige Tiere, alles, wovon die Erde gewimmelt hatte, und auch alle Menschen.
Die Strömung des Sees nahm ihn mit sich. Je weiter er in die Weiten vorstieß, desto klarer wurden seine Gedanken.
Alles, was auf der Erde Lebensgeist durch die Nase atmete, kam um.
Ein Wispern aus Ebbe und Flut schlich an sein Ohr, fiel in seine Rezitation mit ein.
Gott vertilgte also alle Wesen auf dem Erdboden, Menschen, Vieh, Kriechtiere und die Vögel des Himmels; sie alle wurden vom Erdboden vertilgt.
Sein Geist verschmolz mit der Umgebung. Falk existierte nicht mehr.
Übrig blieb nur Noach und was mit ihm in der Arche war. Das Wasser aber schwoll hundertfünfzig Tage lang auf der Erde an.
60. Kapitel
Die Mauern der Zelle verströmten eine Art Traurigkeit, die Frenzel in alle Glieder kroch. Er saß auf der schmalen Pritsche aus Holz, die mit Ketten an der Wand befestigt war, so dass man sie wie eine Zugbrücke nach oben fahren und in dieser Position fixieren konnte. Er wusste nicht, wie lange er schon auf den schwarzen Fleck am Boden starrte.
Kaugummi in der Form eines Wassertropfens.
Er dirigierte Frenzel zu Falk. Im Geiste stand er wieder auf dem Mauersims und blickte in die Tiefe hinab. Das Blau des Sees erschien ihm klarer, als es seine Gedanken waren. Sie wirbelten wie Treibholz auf dessen Oberfläche. Frenzel schüttelte sich, um das Bild aus seinem Kopf zu vertreiben. Er sah aus dem kleinen Fenster, das Stahlgitter von außen sicherten. Die Dämmerung tauchte die Welt in ihr weiches Licht.
Ich befinde mich schon seit Stunden hier. Wenn Galati mit Haller telefoniert hat, müsste er doch wissen, dass ich ihn nicht angelogen habe.
Frenzel fuhr sich mehrmals kräftig mit der Hand über seinen Schädel, um sich die Müdigkeit aus seinem Kopf zu massieren.
Diese stundenlange Zugfahrt hängt mir noch in den Knochen.
Er wusste, dass dies die halbe Wahrheit war - die Ereignisse der letzten Tage brächten einen ausgewachsenen Bullen zur Strecke. Frenzel wischte diese Erkenntnis zur Seite.
Was zum Kuckuck läuft hier bloß? Ich müsste längst draußen sein.
Er stand auf und streckte sich, bis seine Glieder knackten. Er hätte gerne das Zellenfenster geöffnet, um die laue Abendluft hereinzulassen. Doch dafür wurde es nicht konstruiert. Es gewährte lediglich den Blick auf die Welt dahinter.
Auf die Freiheit.
Welche für jeden, der sich hier aufhielt, vielleicht für lange Zeit nicht mehr als eine schmerzliche Erinnerung sein würde.
Frenzels Füße schmerzten. Er setzte sich auf die Pritsche, zog Schuhe und Socken aus und knetete die einzelnen Zehen durch. Die Kühle des Betonbodens verschaffte ihm zusätzlich Linderung. Er erhob sich, ging ein paar Schritte. Sofort fühlte er sich frischer. Sein Kreislauf kam in Schwung.
Haller spielt mit mir. Er lässt mich hier hängen. Seine Art der Rache für die Auseinandersetzung im Büro. Das sieht ihm ähnlich.
Frenzel legte sich auf die Holzbank. Es bereitete ihm Mühe, nicht gleich wieder herunterzufallen. Die Hälfte seines breiten Kreuzes hing in der Luft.
Diese Pritschen sind für Zwerge gemacht. Ein Witz.
Er drehte sich auf die Seite. So verharrte er für einige Minuten, bis ihm der Arm einschlief, auf dem er seinen Kopf gebettet hatte. Er benötigte mehrere Versuche, bis er eine halbwegs erträgliche Position fand, in der er daran denken konnte, auszuruhen.
Die Zeit verstrich.
Ein Schmunzeln kräuselte seine Lippen – er erinnerte sich an sein
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