Poseidons Gold
ihn kaltblütig versetzte …
Verglichen mit uns hatte Horaz es noch gut getroffen. Er reiste als Protokollführer zu einer Gipfelkonferenz von Triumvirn, hatte reiche Gönner und intellektuelle Begleiter (darunter keinen Geringeren als den großen Virgil), die ihm die Kletten vom Reitmantel klauben konnten, und übernachtete in Privathäusern, wo zu seinem Empfang als erstes Schalen mit duftendem Öl angezündet wurden. Wir dagegen stiegen in Landgasthäusern ab (sofern sie nicht den Winter über geschlossen waren), und anstelle Virgils hatte ich meinen Vater dabei, dessen Konversation um etliche Hexameter hinter echter Poesie herhinkt.
Im Gegensatz zu Horaz hatte ich jedoch eine Mutter, die mir einen Korb voll guten römischen Brotes und genug geräucherte Lukanerwurst für einen Monat mitgegeben hatte. Und ich hatte mein eigenes Mädchen dabei und somit die tröstliche Gewißheit, daß mir, wäre ich von den Strapazen der Reise nicht so zerschlagen gewesen, in jeder von mir gewünschten Nacht eine Schöne lächelnd und fügsam zu Willen gewesen wäre.
Eines, was Horaz auf seiner Reise nach Tarentum erspart blieb, war der Besuch bei seiner Großtante Phoebe nebst einer Menge weiterer übellauniger Verwandter vom Lande. (Falls er diese leidige Pflicht doch mit mir teilte, hat er sie in den Satiren jedenfalls nicht erwähnt, was ich ihm, wenn seine Verwandten Ähnlichkeit mit den meinen hatten, nicht verübeln kann.)
Wir hatten gleich drei Gründe, um in der Handelsgärtnerei haltzumachen. Erstens: Phoebe selbst, die bestimmt schon von Helena gehört hatte und der ich meine Liebste nun unbedingt vorstellen mußte, wollte ich jemals wieder eine Schale von Phoebes Senfkohlsuppe kredenzt bekommen. Zweitens: um Geminus in der benachbarten Mansio einzuquartieren, wo Censorinus und wahrscheinlich auch sein Kamerad Laurentius abgestiegen waren. In der Handelsgärtnerei konnte sich Papa mit Rücksicht auf das, was in unserer Familie als Taktgefühl gilt, nicht mehr blicken lassen. Wir instruierten ihn, es sich in dem Gasthof gemütlich zu machen, dem Wirt einen großen Schoppen zu spendieren und ihn darüber auszuhorchen, was der Centurio (oder vielleicht die zwei Centuriones) im Schilde geführt hatte. Der dritte Grund für meinen Abstecher in die Handelsgärtnerei war der Wunsch, das heimliche Lager meines Bruders zu inspizieren.
Man hört und liest viel über die reichen römischen Landgüter, auf denen Tausende von Sklaven für meist abwesende Senatoren sorgen. Über kleine, bescheidene Höfe, deren Besitzer (wie die Brüder meiner Mutter) Ackerbau für den Eigenbedarf betreiben, schreibt fast nie jemand, aber es gibt sie trotzdem. Vor den Toren Roms und vieler anderer Städte plagen sich lauter wackere, arme Leute, um das Lebensnotwendigste für eine große Familie zusammenzukratzen, deren hungrige Mäuler jeden Gewinn im Nu wieder aufzehren; Jahr für Jahr rackern sich diese braven Menschen ab, ohne daß je mehr als Verdruß und Übellaunigkeit dabei herauskommen. In der Campania haben die Bauern immerhin fruchtbare Böden und gute Straßen, auf denen sie nach einer ertragreichen Ernte rasch zu den Märkten einer Stadt mit schier unersättlichem Appetit gelangen.
So hatten sich meine Eltern auch kennengelernt. Auf einer Fahrt nach Rom hatte Mama unserem späteren Vater ein paar fragwürdige Kohlköpfe angedreht, und als er wiederkam, um sich zu beschweren, ließ sie sich verschämt zu einem Becher Wein einladen. Bestimmt hielt man es seinerzeit für Bauernschläue, daß sie ihn nur drei Wochen später geheiratet hat.
Auf der Fahrt zum Gehöft versuchte ich, Helena die Familienverhältnisse zu erklären. »Ursprünglich gehörte der Hof meinem Großvater und Großonkel Sacro zu gleichen Teilen. Heute wechseln sich, je nach Lust und Laune, Mamas Brüder in der Bewirtschaftung der Acker ab. Aber meine Onkel sind ziemliche Vagabunden, und ich kann dir beim besten Willen nicht sagen, welchen von ihnen wir auf dem Hof treffen werden. Sie rennen ständig irgendeiner ausländischen Liebsten hinterher oder müssen sich von Anfallen bitterer Reue darüber erholen, daß ihr Karren einen armen Landmann überfahren hat. Daheim erscheinen sie meist ganz unverhofft, mit Vorliebe dann, wenn gerade ein armes Weib auf dem Küchentisch Zwillinge kriegt und wenn obendrein noch die Rettichernte verhagelt ist. Und dann haben sie nichts weiter im Sinn, als die halbwüchsige Tochter des Ziegenhirten zu vergewaltigen oder die
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