Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
erwähnen durften.
    Die ganze Zeit, in der wir vorgeblich über meine Onkel sprachen, wurde in Wahrheit meine neue Freundin unter die Lupe genommen. Es war das erste Mal, daß ich jemand anderen als Petronius Longus mit auf den Hof brachte (mit ihm war ich früher in den Ferien hergekommen, wenn sowohl die Trauben als auch die Mädchen reif waren und unsere Erholung darin bestand, beide zu vernaschen).
     
    Helena Justina saß anmutig und dunkeläugig da und ließ die obligate Musterung mit Würde über sich ergehen. Sie war ein intelligentes Mädchen, das wußte, wann es ratsam war, ihr ungestümes Temperament zu zügeln, damit uns die Familie nicht die nächsten dreißig Jahre vorwerfen konnte, sie hätte sich ja von Anfang an nicht einfügen wollen.
    »Marcus hat noch nie jemanden von seinen feinen römischen Freunden mit zu uns auf den Hof gebracht«, bemerkte Großtante Phoebe, und es war unmißverständlich, daß sie damit auf meine weiblichen Bekannten anspielte, wußte, wie zahlreich die gewesen waren, und wie sehr sie sich freute, daß ich anscheinend endlich eine gefunden hatte, die sich für Lauchanbau interessierte. Ich grinste liebenswürdig. Was hätte ich sonst tun sollen?
    »Ich fühle mich sehr geehrt«, sagte Helena. »Ich habe schon soviel von Ihnen gehört.«
    Tante Phoebe machte ein verlegenes Gesicht. Vermutlich witterte sie hier eine tadelnde Anspielung auf ihren unheiligen Bund mit meinem lockeren Vogel von Großvater.
    »Ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, was ich jetzt sage«, fuhr Helena ruhig fort. »Es geht um die Übernachtungsfrage … Marcus und ich schlafen gewöhnlich in einem Zimmer, obwohl wir nicht verheiratet sind. Hoffentlich habe ich Sie jetzt nicht schockiert. Es ist nicht seine Schuld, ganz bestimmt nicht. Aber ich war stets der Ansicht, daß eine Frau sich ihre Unabhängigkeit bewahren soll, solange keine Kinder da sind.«
    »Das ist ja mal ganz was Neues!« kicherte Tante Phoebe, die offenbar großen Gefallen an dieser Theorie fand.
    »Mir ist das zu modern!« warf ich ein. »Ich hatte gehofft, daß mich dieses Mädchen endlich zur Ehrbarkeit bekehren würde.«
    Helena und meine Großtante wechselten einen wissenden Blick.
    »So sind die Männer – brauchen immer eine Fassade!« rief Phoebe. Sie war eine weise alte Frau, und ich empfand große Zuneigung für sie, auch wenn wir eigentlich gar nicht miteinander verwandt waren (oder wahrscheinlich gerade deswegen).
    Onkel Junius bequemte sich mürrisch dazu, mir das Warenlager zu zeigen. Im Hinausgehen sah ich Helena neugierig auf die kleine halbkreisförmige Nische starren, in der die Hausgötter ihren Platz hatten. Zur Zeit stand dort auch eine Keramikbüste von Fabius, vor der Phoebe ehrerbietig Blumen niedergelegt hatte. Die Tante, die es nie versäumte, das Andenken eines abwesenden Onkels hochzuhalten (außer des einen, den wir nicht erwähnen durften), hatte vorsorglich auf einem Bord auch schon eine Büste für Junius bereitgestellt. Sie würde am Altar zu Ehren kommen, sobald er das nächste Mal auf Tour ging. Ganz hinten in der Nische, zwischen den traditionellen Bronzefiguren tanzender Laren mit emporgestrecktem Füllhorn, lag ein verstaubtes Gebiß.
    »Was denn, das habt ihr aufgehoben?« fragte ich gespielt lässig.
    »Da hat er’s immer über Nacht verwahrt«, antwortete Onkel Junius. »Phoebe hat es vor dem Begräbnis dorthingelegt, und nun bringt es keiner übers Herz, das Gebiß fortzunehmen.«
    Das mußte ich Helena natürlich erklären. »Großonkel Sacro, ein echter Exzentriker, ließ sich einmal von einem etruskischen Zahnarzt behandeln. Von da an war er ein leidenschaftlicher Anhänger etruskischer Prothesen – eine hohe Kunstform, falls man sich den Golddraht leisten kann. Aber der arme Sacro hatte irgendwann keine Zähne mehr, an denen man die Drähte befestigen konnte, und da ihm außerdem das Geld ausgegangen war, beschloß er, selbst ein Gebiß zu konstruieren.«
    »Etwa das da?« fragte Helena höflich.
    »Jawoll!« Junius nickte stolz.
    »Du meine Güte! Hat es funktioniert?«
    »Jawoll!« Junius zog Helena ganz unverhohlen als Kandidatin für seine kläglichen Annäherungsversuche in Betracht. Helena, die ein feines Gespür dafür hatte, wann Gefahr im Verzuge war, hielt sich dicht neben mir.
    »Was du da siehst«, erklärte ich, »war Modell Nummer vier.« Onkel Sacro, der mich sehr mochte, hielt mich immer auf dem laufenden über den Stand seiner Experimente. Daß ein paar von den Zähnen

Weitere Kostenlose Bücher