Poseidons Gold
Doch er wich meinem fragenden Blick geflissentlich aus. Papa ist ein stämmiger Mann, und heute kam er mir kleiner und zugleich fülliger vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Sein Gesicht könnte als gutaussehend durchgehen, und es gibt Leute, die ihn charmant finden. Ich hatte mich immer an ihm gerieben, doch ich war ja auch von Lehrern erzogen worden, die uns einbleuten, der ideale römische Vater sei streng, weise und ein moralisches Vorbild. Diese hehre Philosophie machte keine Zugeständnisse an Trinker, Spieler und Schürzenjäger – geschweige denn einen Vater wie meinen, der mitunter all diesen Sünden auf einmal beging und der anscheinend nie jene noblen Grammatiker gelesen hatte, die einem römischen Knaben weismachen, er könne von seinem Papa erwarten, daß er den lieben langen Tag in edlen Gedanken verbrachte und zwischendurch den Hausgöttern opferte. Statt mich mit in die Basilica Julia zu nehmen und mir zu erklären, worüber die Anwälte in der Gerichtsverhandlung stritten, ging mein Vater mit mir in den Circus Maximus – und auch das nur, wenn sein Vetter am Kartenschalter saß, der uns zum halben Preis einließ. Als Kind schämte ich mich entsetzlich, wenn wir uns auf diese Weise, gewissermaßen auf Rabatt, zu den Spielen hineinmogelten.
Livius ist so was nie passiert.
Ich beschloß, Vater zur Rede zu stellen. »Du hast also damit gerechnet, daß es Ärger gibt. Willst du mir nicht erzählen, was los ist?«
»Was soll denn schon los sein? So was kommt eben vor«, knurrte Geminus durch zusammengebissene Zähne.
»Das war doch eine abgekartete Sache. Wer steckt dahinter? Eine organisierte Bande?« Wenn ich schon in den Streit mit hineingezogen wurde, wollte ich wenigstens die Ursache erfahren.
»Was weiß denn ich.« O ihr Götter, der Mann kann störrisch sein wie ein Maultier.
»Na schön, dann mußt du eben allein sehen, wie du klarkommst!«
»Gewiß, mein Junge, gewiß.« Ich lehnte den Kopf zurück, schloß die Augen und fragte mich, wie so ein muffeliger alter Stoffel einen so verständigen Kerl wie mich hatte zeugen können. Erst jetzt fiel mir auf, daß mein ganzer Körper steif und mein linkes Ohr taub war. »Im übrigen«, konterte mein Vater, »hast du ja mächtig getrödelt. Ich hatte dich schon vor zwei Stunden erwartet.«
Ich schlug die Augen wieder auf. »Aber es wußte doch niemand, daß ich zu dir wollte.«
»Ach so? Mir wurde gesagt, dir stünde der Sinn nach einem väterlichen Gespräch.«
»Dann hat man dir was Falsches erzählt!« Blitzschnell hatte ich das Rätsel gelöst. »Helena ist bei dir gewesen!« Die Frau war unverbesserlich. Es genügte nicht, sie auf der Schwelle ihres Vaters abzusetzen – ich hätte sie eigenhändig in die Vorhalle schubsen und den Senator auffordern sollen, sofort die Tür zu verriegeln.
Mein Vater grinste anzüglich. »Nettes Mädchen!«
»Fang bloß nicht wieder damit an, daß sie was Besseres finden könnte.«
»Gut, dann laß ich’s eben … Und sonst? Was macht das Liebesleben?«
Ich seufzte. »Bei unserem letzten Zusammensein hat sie mir das Knie ins Gedärm gerammt.«
»Aua! Und ich dachte, du hättest dir ganz was Zahmes geschnappt!« spottete Geminus. »Von wem hat sie denn solche üblen Tricks gelernt?«
»Von mir, wenn du’s wissen willst.« Er starrte mich entgeistert an, und das reizte mich so, daß prompt alte Wunden wieder aufbrachen. »Hör mal, du magst ja inzwischen mächtig arriviert sein, aber bestimmt erinnerst du dich noch an das schäbige Leben auf dem Aventin, wo es vor lauter Kerlen mit lüsternen Gedanken wimmelt und kein einziges Türschloß anständig funktioniert. Und ich kann Helena schließlich nicht rund um die Uhr beschützen. Außerdem – falls der heutige Tag als Maßstab gelten kann, werde ich wohl nie wissen, wo sie steckt. Frauen sollten bekanntlich brav daheim am Webstuhl sitzen«, grummelte ich verbittert. »Aber Helena schert sich einen Dreck um so was.«
Da war mir weit mehr rausgerutscht, als ich hatte sagen wollen. Mein Vater räkelte sich lässig auf seinem Diwan und hatte den Kopf auf den Ellbogen gestützt. Er sah mich an, als hätte ich ihm ein Schälchen Schnecken hingestellt, aber den Löffel vergessen. »Sei’s drum, wenigstens ist sie noch mit dir zusammen … Und wann soll die Hochzeit sein?«
»Sobald ich zu Geld gekommen bin.«
Geminus pfiff verächtlich. »Da wird die Dame aber lange warten müssen!«
»Das ist unsere Sache.«
»Nicht, wenn du mich zum Großvater
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