Poseidons Gold
Nein, nein, ich bin ja noch nicht mal verheiratet.«
»Ich wünsche dir alles Glück.« Wieder drängte die verfrühte Gratulation eines wohlmeinenden Mitmenschen Helena und mich zu einem Bund, über den wir noch gar nicht richtig gesprochen hatten. Schuldbewußt erkannte ich, daß ich jetzt sowohl privat wie vor der Öffentlichkeit einem Zukunftsplan verpflichtet war, über den sie gewiß völlig anders dachte.
»So einfach wird es nicht werden. Die Braut ist nämlich eine Senatorentochter.«
»Mit deinem Charme wirst du sie schon rumkriegen.« Apollonius verstand vielleicht noch die Finessen geometrischer Formen auf einer Schiefertafel, aber gesellschaftliche Feinheiten waren ihm ein Buch mit sieben Siegeln. Er hatte ja auch nie begriffen, wieso mein Vater als römischer Bürger so in Rage geriet über der Vorstellung, zwei seiner Kinder von einem Immigranten adoptieren zu lassen. Und genausowenig kapierte er jetzt etwas von dem kolossalen gesellschaftlichen Druck, der meine Angebetete und mich zu trennen drohte. »Wenn du dann erst mal eigene Kinder hast, dann weißt du ja, wo du sie hinschicken kannst, damit sie Geometrie lernen!«
Aus seinem Mund hörte sich das so einfach an, daß ich alle Zweifel fahrenließ und mich dem Vergnügen hingab, endlich jemanden getroffen zu haben, der meine geplante Heirat mit Helena nicht von vornherein als absolute Katastrophe beklagte.
»Ich werde dran denken«, versprach ich freundlich, eine kleine Wiedergutmachung dafür, daß ich mich nun doch verdrückte.
XXXIV
Zu Hause fand ich Helena beim Beschnüffeln von Tuniken vor. Wir hatten sie auf der Reise getragen, und sie waren eben aus der Wäscherei gekommen.
»Juno, wie ich den Winter hasse! Die Sachen, die man zum Waschen gibt, sind hinterher schlimmer als vorher. Zieh diese da lieber nicht an, die riechen ganz muffig. Bestimmt hat man sie zu lange im Korb gelassen, als sie noch feucht waren. Ich nehme sie mit zu meinen Eltern und spüle sie noch mal aus.«
»Ach, es genügt, wenn du meine zum Lüften über eine Tür hängst. Ich bin da nicht so empfindlich. Außerdem war ich heute schon an etlichen Orten, die ohnehin nicht für makelloses Weiß getaugt hätten.«
Dann küßte ich sie. Helena nutzte die Gelegenheit, zum Spaß auch an mir zu schnüffeln.
Eins führte zum anderen, und so waren wir bis zum Abendessen beschäftigt.
Wie es bei uns Sitte war, kochte ich. Heute gab es ein halbes Huhn, das ich in Öl und Wein schwenkte und dann in einer verbeulten Eisenpfanne auf dem gemauerten Herd brutzelte. Kräuter waren keine im Haus, denn zu der Zeit, da man sie hätte ernten müssen, waren wir ja auf Reisen gewesen. Helena besaß zwar eine sündteure Gewürzsammlung, aber die hätte man erst aus ihrem Elternhaus holen müssen. Alles in allem war der Haushalt an der Brunnenpromenade noch chaotischer als gewöhnlich. Zum Essen setzten wir uns auf niedrige Schemel und balancierten die Schüsseln auf den Knien, weil wir noch nicht dazu gekommen waren, uns einen neuen Tisch anzuschaffen. Was ich Junia von unserem Geschirr vorgeschwärmt hatte, war allerdings keine Prahlerei: Wir besaßen tatsächlich ein leuchtend rot glasiertes Terrasigillata-Service. Nur hatte ich das aus Sicherheitsgründen bei meiner Mutter untergestellt.
Mit einmal überkam mich die blanke Verzweiflung. Der Gedanke an unser schönes Geschirr gab den Anstoß. Von allen Seiten stellten sich mir Probleme in den Weg, und obendrein noch die Vorstellung, daß unser einziger standesgemäßer Besitz womöglich für immer eingelagert bleiben würde – das war mehr, als ich ertragen konnte.
Helena merkte mir meine Niedergeschlagenheit an. »Was ist denn los, Marcus?«
»Gar nichts.«
»O doch! Irgendwas quält dich – und es ist nicht nur dieser Mordfall.«
»Ach, weißt du – manchmal kommt’s mir so vor, als ob unser ganzes Leben in Stroh verpackt in einer Dachkammer liegt und auf eine Zukunft wartet, die es vielleicht nie geben wird.«
»Oje! Du hörst dich an, als sollte ich rasch deine Poesietafel holen, damit du eine richtig schön morbide Elegie verfassen kannst.« Helena machte sich dauernd lustig über die schwermütigen Gedichte, die ich seit Jahren zu schreiben versuchte. Ihr war es aus irgendeinem Grund lieber, wenn ich Satiren verfaßte.
»Paß mal auf, Herzchen, gesetzt den Fall, ich würde vierhunderttausend Sesterzen auftreiben können und der Kaiser wäre tatsächlich bereit, mich in den Bürgerstand zu erheben – wärest du dann
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