Poseidons Gold
die Katzen, die Menschen. Ein Trupp Feuerwehrmänner, die mit halbleeren Eimern vorbeischlurften, fragten mich nach der Austernstraße. Ich wies ihnen den richtigen Weg und mußte sehen, wie ihr verrußtes Leuchtsignal trotzdem in die falsche Richtung abschwenkte. Die Männer kehrten auf die Schnelle noch mal in der nächsten Kneipe ein; das Feuer lief ihnen ja nicht weg.
Eine Nutte machte mir ebenfalls ein, wenn auch anders geartetes Angebot auf die Schnelle, aber ich redete mich mit angeblichen Ladehemmungen heraus. Sie lachte meckernd und kam mir mit medizinischen Theorien, vor denen ich errötete. Um sie endlich loszuwerden, machte ich ihr weis, daß ich zu den Vigiles, den nächtlichen Streifen, gehörte, worauf sie wüst fluchend das Weite suchte. Hinter der Ecke, wo die Straßen breiter wurden, war heute anscheinend selbst der sonst so rege nächtliche Lieferverkehr recht flau; nur ganz selten einmal drang lautes Räderrasseln übers holprige Pflaster. Zur vollen Stunde ertönte aus dem Quartier der Prätorianer die Wachtrompete hell und klar durch die frostige Nachtluft. Über mir sah ich statt blinkender Sterne nur tintenschwarze Dunkelheit.
Allmählich verliefen sich die Nachtschwärmer. Meine Füße hatten sich in Eisklumpen verwandelt, und die Beine waren zu müde, als daß ich mich noch mit Stampfen und Trampeln erwärmen konnte. Ich trug zwei Capes und drei Tuniken übereinander, aber die Kälte war mittlerweile durch sämtliche Hüllen gekrochen. Obwohl ich ein ganzes Stück vom Fluß entfernt war, hatten die ungesunden Tibernebel sich in meine Lunge geschlichen. Es ging kein Wind; da war nur diese lautlose, heimtückische Kälte, die einem langsam das Herz abdrückt.
Es war eine jener Nächte, in denen selbst Berufseinbrecher sich nach einem kurzen Blick auf die Straße fürs Daheimbleiben entscheiden und, statt zu arbeiten, lieber mal die Ehefrau piesacken. Eine Nacht, in der Frauen mit gebrochenem Herzen auf dem Pons Aemilianus herumlungern und einen ruhigen Moment abwarten, um unbeobachtet über die Brüstung ins ewige Vergessen springen zu können. In der die Obdachlosen sich in den Nischen am Circus zu Tode husten, ausgesetzte Kinder und entlaufene Sklaven an der großen schwarzen Mauer unter der Zitadelle enger zusammenrücken und, wenn sie das Luftholen vergessen, versehentlich in den Hades entschlüpfen. Wie gesagt: Es ging kein Wind, kein Schneesturm tobte, und es regnete nicht mal. Aber es war trotzdem eine bitterkalte, qualvolle Nacht, und ich hätte alles darum gegeben, nicht gerade heute draußen sein zu müssen.
Zum Schluß verstieß ich gegen die Spielregeln, schlenderte hinüber zur Pension der Maler, schlüpfte durch die quietschende Haustür, tastete mich im Dunkeln fünf Treppen hoch (zum Glück hatte ich bei meinem ersten Besuch die Stockwerke gezählt), suchte und fand ihr Zimmer, bemühte mich eine halbe Stunde lang vergeblich, das Schloß zu knacken, entdeckte, daß die Tür bereits offen war, und ging hinein, um im Dunkeln auf sie zu warten. Wenigstens hatte ich jetzt ein Dach über dem Kopf.
XXXVIII
Manlius und Varga kamen mitten in der Nacht heimgetorkelt, stritten sich unten auf der Straße so lautstark mit anderen Kunstfreunden, als ob es heller Tag wäre. Ich hörte, wie ein Fensterladen aufflog und jemand sie anbrüllte. Doch die Maler antworteten so ruhig und gelassen, als wäre ein solcher Auftritt ganz normal. Sie hatten einfach kein Zeitgefühl. Anstand hatten sie auch keinen, aber das wußte ich bereits, seit ich gesehen hatte, wie dreist sie seinerzeit bei Festus Wein schnorrten.
Die anderen Kerle trollten sich endlich, und meine beiden schleppten sich die Treppe herauf. Gespannt lauschte ich ihrem schwankenden Anrücken. Das ist der Moment, vor dem sich ein Detektiv graust: Wenn er in pechschwarzer Finsternis sitzt und auf etwas Unangenehmes wartet.
Ich wußte inzwischen schon eine ganze Menge über die beiden, denn wer in ihr Zimmer eindrang, stolperte als erstes über etliche leere Amphoren. Außerdem roch der Raum säuerlich, woraus ich schloß, daß die zwei nur wenig Garderobe besaßen und noch weniger Wäscherechnungen bezahlten. Kein Wunder, denn sie hatten einen so abnormen Lebensrhythmus, daß, falls sie mal ans Waschen dachten, selbst die öffentlichen Bäder schon geschlossen waren. Doch außer ihren eigenen vielfältigen Gerüchen verströmte das Zimmer noch alle möglichen anderen: Es roch nach Graphit und Harz, nach zerstoßenen Muschelschalen
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