Poseidons Gold
allerdings ein paar künstlerische Freiheiten erlaubt. Sie sitzt uns ziemlich oft.«
Ich war an der richtigen Adresse. An jenem Abend hatte Rubinia meinem Bruder bestimmt gesagt, daß er die beiden Maler in der Jungfrau finden würde. (Wahrscheinlich hatte sie ihm auch noch verraten, wo sie selbst wohnte, aber das war jetzt unwichtig.)
Ich lachte ungezwungen. »Ich glaube, eure Rubinia hat meinen Bruder gekannt.«
»Das glaub ich dir unbesehen!« gluckste Manlius. Sein Kommentar mußte sich auf das Mädchen beziehen, denn er hatte mich nicht gefragt, wer mein Bruder war.
Vielleicht wußte er es schon.
Nein, jetzt wahrscheinlich noch nicht, dachte ich.
Künstler haben keine Mutter, die sie anständig erzieht – oder sie brauchen sich wenigstens nicht nach ihr zu richten –, und so lagen wir denn mit den Stiefeln auf den Betten, tranken wie die Söldner, und ich überlegte fieberhaft, wie ich am geschicktesten mein Verhör beginnen sollte.
Meine Anspielung auf Festus war schon wieder vergessen. Die Maler gehörten zu jenen gleichgültigen Leuten, denen man die wildesten Geschichten über einen Bekannten oder auch Angehörigen erzählen kann, ohne daß sie im geringsten neugierig werden. Sie kannten ohnehin alle Welt. Und falls er nur eine Amphore bei sich trug oder mit prallem Geldbeutel in einer Kneipe saß, dann war jeder Fremdling ihr Freund. Sie an einen bestimmten aus der großen Schar ihrer Gönner zu erinnern versprach alles andere als leicht zu werden.
Unser nächtliches Zusammentreffen entwickelte sich genauso verheerend, wie ich befürchtet hatte: Sie fingen an, über Politik zu reden. Manlius war Republikaner. Das war ich auch, hütete mich aber, es in einer klatschsüchtigen Gesellschaft zu erwähnen. Wer es mit der Hoffnung, das alte Staatssystem wieder einzuführen, allzu ernst nahm, würde den Kaiser absetzen müssen. Nun mochte Vespasian zwar ein toleranter alter Trottel sein, aber Hochverrat war noch immer ein Kapitalverbrechen, und solche Hobbys versuchte ich zu meiden. Daß man mir den Mord an einem Soldaten in die Schuhe schieben wollte, war schon unangenehm genug.
Manlius machte keinen Hehl daraus, daß er Vespasian loswerden wollte; Varga haßte den gesamten Senat; gemeinsam hatten sie den Plan gefaßt, Rom in eine öffentliche Galerie umzuwandeln, ausgestattet mit den geplünderten Sammlungen der Patrizier und den Schätzen der öffentlichen Portiken sowie finanziert von der Staatskasse. Ihr Plan war bis ins kleinste ausgefeilt, aber in ihren Händen völlig unbrauchbar. Diese beiden hätten es nicht mal geschafft, in einem Bordell eine Orgie anzuzetteln.
»Es würde uns gelingen«, prahlte Varga, »wenn die regierende Klasse nicht von den Kettenhemden und der verknöcherten Moral der Prätorianergarde beschützt würde.«
Ich beschloß, lieber nicht zu erwähnen, daß ich gelegentlich als kaiserlicher Agent arbeitete. Schließlich wollte ich mich nicht enthauptet auf einem öffentlichen Platz wiederfinden. Künstlern fehlt jeder Sinn für Maß und Ziel; Betrunkene sind erst recht maßlos.
»Diese Stadt wird von der Angst regiert«, lallte Manlius. »Zum Beispiel – ja, ich geb dir ein Beispiel, Marcus: Warum tragen die Sklaven die gleichen Kleider wie wir anderen auch? Warum pochen ihre Herren so darauf?«
»Weil sie tüchtiger arbeiten, wenn sie warm angezogen sind?«
Meine Antwort rief schallendes Gelächter hervor. »Aber nein! Wenn sie alle Sklavenkluft trügen, würden sie erkennen, daß sie Millionen sind, Millionen, nur von einer Handvoll Scheißkerlen beherrscht, die sie leicht überwältigen könnten, wenn sie sich nur ein bißchen anstrengten. Darum!«
»Besten Dank, Spartakus!«
»Ich mein’s ernst«, grummelte er und bemühte sich ernsthaft, seinen Becher noch einmal vollzuschenken.
»Auf die Republik«, prostete ich ihm besänftigend zu. »Auf die goldenen Zeiten, als jeder Mann seinen eigenen Acker bestellte, jede Tochter eine Jungfrau war und jeder Sohn bis zum fünfundvierzigsten Lebensjahr daheim blieb und zu allem ›Jawohl, Herr Vater‹ sagte!«
»Du bist ein Zyniker!« bemerkte Varga, offenbar der Schlaukopf dieses ausgelassenen Duos.
Ich ließ einfließen, daß ich einen Neffen hatte, der bei einem Freskenmaler in der Campania in die Lehre ging. Die Vorstellung, daß der Junge leicht so einem entarteten Nichtsnutz wie Varga oder Manlius hätte in die Hände fallen können, ließ mich schaudern. Larius war zwar beschämend vernünftig, aber ich
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