Poseidons Gold
und Kreide, nach Kalk, Gips und Borax. Außerdem aßen die zwei offenbar hauptsächlich billige Gerichte mit viel Knoblauch und jenen Artischocken, auf die man furzen muß.
Endlich stolperten sie herein, vollgekleckst mit Farbe, dreckige Witze auf den Lippen. Der Ruß einer Harzfackel mischte sich mit den zahlreichen Gerüchen, die bereits hier nisteten. Immerhin konnte ich nun dank des Lichts erkennen, daß ich mich in einem Gemeinschaftszimmer befand. Auf engstem Raum waren drei oder vier Betten zusammengepfercht, obwohl die beiden Pinselkleckser im Moment die einzigen Mieter zu sein schienen. Die Maler waren nicht einmal überrascht, mich hier vorzufinden, und sie hatten auch nichts gegen meine Anwesenheit einzuwenden, denn ich hatte ihnen eine Amphore mitgebracht (ich traf mich nicht zum ersten Mal mit kreativen Leuten).
Einer der beiden war groß, der andere klein, beide hatten bloße Arme, aber nicht, weil sie so abgehärtet waren, sondern weil sie sich keine Umhänge leisten konnten. Beide trugen Bart, wohl aus Trotz gegen gesellschaftliche Normen. Ich schätzte sie auf etwa dreißig, aber sie benahmen sich wie Halbwüchsige und kleideten sich auch so. Unter der Dreckkruste sahen sie vielleicht leidlich gut aus, aber offenbar zogen sie es vor, durch ihre Persönlichkeit zu glänzen; ein guter Freund hätte ihnen sagen sollen, daß ihre Persönlichkeit nach Schliff verlangte.
Sie steckten die Fackel in einen engen Ölkrug: die Urne eines Griechen mit gutem Geschmack. Ich nahm an, daß der Grieche noch drin war. Typen wie diese beiden fanden es sicher witzig, aus dem armen Mann einen Fackelständer zu machen.
Sie konnten sich beide nicht mehr an mich erinnern.
»Wen haben wir denn da?«
»Ich bin Marcus …«, begann ich meine hochoffizielle Vorstellung.
»Hallo, Marcus! Wie schön, daß du vorbeikommst!«
»Wie geht’s dir denn, Marcus?«
Ich verkniff mir den Hinweis, daß nur ausgewählte Mitglieder meiner Familie diesen sehr persönlichen Rufnamen benutzen durften. Aber Freigeister begreifen nun mal die Etikette nicht; schon gar nicht, wenn sie betrunken sind.
Manlius war der Kreative des Gespanns. Der große Dunkle mit dem tranigen Blick trug eine ehemals weiße Tunika und hatte klebriges, wirres Haar. Offenbar experimentierte er mit Miniaturen, denn er hatte seine Ecke des Zimmers mit lauter kleinen Säulen, Girlanden und Blumenvasen vollgekritzelt.
Vargas kurze Beine wurden durch einen mächtigen Schnauzer wettgemacht. Seine Tunika war bräunlich wie Mangan und besetzt mit schon reichlich zerfetzten Purpurtressen. Dazu trug er Sandalen mit Goldriemen. Mama hätte ihn für nicht vertrauenswürdig erklärt. In dem Duo war er derjenige, der wirklich malen konnte. Seine Vorliebe galt gewaltigen Schlachtenszenen mit Giganten aus der Mythologie, die er am liebsten mit entblößter Brust darstellte. Auch für tragische Zentauren hatte er ein Händchen; ein anderthalb Meter großes Exemplar bäumte sich in Todesqualen über seinem Bett auf: eine blutrünstige Amazone hatte ihn mit dem Speer durchbohrt.
»Ich würde gern dein Modell kennenlernen!«
»Das Mädchen oder das Pferd?«
»Oh, das Pferd – einfach herrlich, diese Fesseln!«
Unser Schlagabtausch war ironisch gemeint, denn die Amazone war wirklich aufregend. Ich tat so, als würde ich ihren zarten Teint bewundern, damit wir uns alle drei noch ein bißchen an ihren Formen weiden konnten. Einiges verdankte ihr Körper gewiß dem Mädchen, das für das Porträt gesessen hatte, weit mehr jedoch Vargas wollüstiger Phantasie. Er hatte sein Modell bis fast zur Deformation aufgewertet. Ich wußte das, weil ich sein Modell kannte; jedenfalls vom Sehen. Die Amazone war einem drallen Weib nachempfunden, dessen Kurven bei einem gesunden Mann zu Herzklopfen führen, ihn aber nicht in Verzweiflung stürzen würden. Die streitbare Maid auf dem Gemälde dagegen war nur etwas für wilde Träume.
Das Modell war eine reife Brünette mit weit auseinanderstehenden, feurigen Augen; Augen, die auch einmal (und zwar absichtlich und mit Vorsatz) auf meinem Bruder geruht hatten. Denn sie war niemand anders als das Mädchen, neben dem Festus an dem Abend im Circus gesessen hatte, als er mir Marina aufhalste, um ungestört die Stadt nach einem Komplizen oder vielleicht auch einem Gegner zu durchkämmen. Dieses Mal war die fesche Braut wohl lediglich sein Kurier gewesen.
»Wem gehören denn diese heißen Kurven?«
»Die Kleine heißt Rubinia – ich hab mir
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