positiv verliebt (German Edition)
in meinem Kopf vermischen sich. Das sind nicht Marios Augen, die mich ansehen… sie sind viel zu dunkel. Ich stoße heftig in meine Hand, bearbeite die Eichel und keuche gefangen in einem Kopfkino, das seltsam zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit hin und her springt. Als ich komme, habe ich Fabians Namen auf den Lippen. Mein Blick schweift zu meiner Hand. Zäh rinnt der Saft daran herunter und ich frage mich, ob ich so etwas mit ihm überhaupt erleben kann. Wie müssen wir uns schützen? Gehen Handjobs? Wird bei allem, immer ein Gummi zwischen uns sein? Wollte er meine Zunge nicht in seinen Mund lassen, weil es ihm für so einen intimen Kuss zu früh war oder kann er mich auch damit gefährden? Dabei dachte ich immer, ich wäre gut informiert…
Die Unsicherheit schlägt in Panik um. Ein schweres Band legt sich um meinen Brustkorb, sorgt dafür, dass mir das Atmen schwer fällt. Ich springe von meinem Stuhl, gehe ins Bad und spüle die Spuren meiner Lust ab. Gedankenverloren betrachte ich eine Weile den Wasserstrahl, der das Sperma mit sich reißt.
Ich hole mir ein Bier und setze mich wieder zurück an den PC. Bedrohlich starren mich die vier Buchstaben an: Aids. Acquired Immune Deficiency Syndrome…erworbenes Immundefektsyndrom. Ich lese den Text, kämpfe mit den vielen Begriffen, deren Bedeutung ich nur teilweise verstehe. Es ist wie ein Tunnel, der mich immer tiefer in die Welt des Internets entführt. Ich weiß schon längst nicht mehr, auf welcher Seite ich mich befinde. Es ist, als würde ich mich durch einen Dschungel kämpfen und jede Liane, die ich aus dem Weg geschlagen habe, jede Information, die ich als verstanden abhaken möchte, wird auf der nächsten Seite in Frage gestellt. Das Dickicht raubt mir die Sinne, die Flut an Wissen überfordert meinen Verstand… und alles, was ich am Ende des Tunnels erkenne, ist nicht das berühmte Licht, sondern der Tod. Ich spüre die Tränen, die sich einen Weg aus meinen Augen bahnen, und kann sie nicht aufhalten. Ich weiß, dass auf jeden von uns am Ende der Tod wartet, aber hier ist er so greifbar, so deutlich. Fabians Gesicht erscheint vor meinen Augen und ich möchte brüllen vor Wut und Schmerz, möchte meinen PC aus dem Fenster werfen, die Welt verfluchen und dieses verdammte Gefühl in mir gleich mit. Es ist so groß, so übermächtig … Hier geht es nicht um ein verfluchtes Gummi, hier geht es um die Existenz. So viele Fakten und Zahlen … Was soll mir ein Infektionsrisiko von 0,04 % sagen?
Ich frage mich, ob es Fabian ähnlich ergangen ist. Hat er ebenso hilflos vor dem PC gesessen … mit dem Wissen, dass es nun in ihm steckt, ein Teil von ihm ist? Allein der Gedanke ist so schmerzvoll, dass ich am liebsten laut schreien möchte.
Natürlich ist HIV nicht Aids. Fabian steht noch irgendwo am Anfang. Zwei Jahre ist es erst her und nun verstehe ich auch, wieso ich keine Tabletten gesehen habe. Es ist wohl noch nicht nötig, dass er mit einer Therapie anfängt. Leider fühlt sich das auch nicht besonders beruhigend an. Es fühlt sich nach gar nichts an, wenn ich ehrlich bin. Mein Kopf ist heillos überlastet, sodass ich die gefühlten tausend Seiten nach und nach schließe, bis nichts mehr zu sehen ist. Erleichtert atme ich auf, trinke einen Schluck von meinem Bier und lehne mich nach hinten.
Am besten wäre es, wenn ich jetzt den PC herunterfahren und mich ins Bett legen würde. Aber ich weiß, dass ich kein Auge zu bekomme. Da sind so viele Fragen und Ängste in meinem Kopf. Ich kann es nicht lassen, füttere meine Suchmaschine erneut und finde diese Bilder, von denen Daniel erzählt hat. Außerdem gibt es Webseiten mit eingebundenen Videos. Ich hangele mich von einem Video zum nächsten. Von Erfahrungsberichten zu hübschen Männern, die über ihren Alltag erzählen. Manchmal ist es lustig, manchmal traurig und beängstigend. Aber im Gegensatz zu den ganzen Informationen steht hier das Leben im Vordergrund und ganz allmählich löst sich auch dieser Druck in meinem Inneren. Ich finde ein Video von einem Paar, bei dem der eine positiv und der andere negativ ist. Es gibt eine Bezeichnung für so eine Beziehung: diskordante Paare. Der HIV-Positive Mann hat sogar ein wenig Ähnlichkeit mit Fabian. Die beiden sehen glücklich und verliebt aus, auch wenn sie viele Probleme, Ängste und Sorgen überwinden mussten. Mein Herz macht vor Freude einen Sprung. Der Grundtenor ist Reden, über alles Sprechen, sich gegenseitig Vertrauen und letztendlich Hoffnung
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