positiv verliebt (German Edition)
zittrigen Fingern öffnen. Ich nehme eine Schere zu Hilfe. Wenn ich nicht aufpasse, ramme ich mir die Spitze vermutlich gleich in die Hand und dann verbringen wir die Nacht nicht hier, sondern in der Notaufnahme. Tief durchatmend versuche ich mich zu beruhigen und lasse den Blick über meine Vorbereitungen streifen. Ich habe den Spielraum ein wenig umgeräumt, damit wir mehr Platz haben. Das breite Luftbett ist aufgepumpt und ich habe mehrere Decken und Kissen darauf verteilt. Fabian friert immer so schnell, also habe ich alles an Decken mitgenommen, was ich zu Hause finden konnte. Ich habe etwas zu essen und zu trinken… Besteck, Geschirr und Gläser… Und nun bin ich dabei, die Kerzen mit den Batterien zu füttern. Echte Kerzen sind vielleicht romantischer, aber das Risiko ist zu groß. Auf jeden Fall finde ich diese dicken beigefarbenen Echtwachskerzen auch ganz schön. Ich habe sie in unterschiedlichen Größen gekauft und die werde ich jetzt überall im Raum verteilen.
Unruhig schaue ich auf die Uhr. Fabian wird gleich da sein. Er hat keine Ahnung, was ich mit ihm vorhabe und ich hoffe, dass ich ihn hiermit überraschen kann.
Wehmütig denke ich an den Tag vor einem Jahr zurück, als ich ihn hier gefunden habe. Ich kann kaum glauben, dass es wirklich schon ein ganzes Jahr zurückliegt. Natürlich weiß ich, dass heute nicht nur der Tag ist, an dem wir… an dem ich eine kleine Lücke in seine viel zu hohen Mauern reißen durfte, sondern auch der dritte Jahrestag seiner Infektion. Kein Tag zum Feiern vermutlich!
Fabian ist schon seit einiger Zeit unruhig und ich befürchte, dass es damit zusammenhängt. Eigentlich gibt es keinen Grund dafür. Es geht ihm gut. Es geht uns gut. Ich bin noch immer total verrückt nach ihm und auch wenn er sich manchmal zurückzieht, weiß ich, dass er ebenso verrückt nach mir ist. Wer hätte gedacht, dass es mal so kommen würde? Fabian und ich und diese Krankheit, die zwar aus unserem Leben nicht wegzudenken ist, es aber nicht ununterbrochen bestimmt. Er hat gelernt loszulassen, sich frei zu fühlen und auch die Tabletten nicht mehr als Bedrohung anzusehen. Er weiß, was sie bewirkt haben. Auch wenn das Desinfektionsspray noch immer im Bad steht und ich ihn unabsichtlich dabei beobachtet habe, wie er, nachdem er auf dem Klo war, die Brille damit eingesprüht hat. Er weiß, dass es absoluter Unsinn ist. Wir wissen es beide. Ich habe jedoch im Laufe der Zeit gelernt, dass es einige Dinge und Rituale gibt, die ihm Sicherheit geben. Das ist vollkommen in Ordnung. Davon abgesehen muss er schließlich auch mit meinen Macken zurechtkommen.
Wir sind in diesem Jahr eng zusammengewachsen. Fabian hat Vertrauen in uns, aber auch in sich selbst. Vermutlich war es sogar der schwierigere Weg, das Vertrauen in seine eigenen Entscheidungen zu finden. Zu erkennen, dass vielleicht nicht immer alles so läuft, wie man es möchte, das aber noch lange kein Grund zum Aufgeben ist.
Seit zehn Monaten ist er unter der Nachweisgrenze und diese Tatsache hat ihm einen regelrechten Motivationsschub gegeben. Vor drei Monaten erwähnte sein Arzt, dass die Therapie so erfolgreich verlaufen würde, dass wir auch ohne Kondom… Ich war dabei, kann noch immer seine Stimme hören und dieses aufgeregte Gefühl in mir spüren. Leider erinnere ich mich auch an Fabians Gesicht, an sein Entsetzen und an die Tatsache, dass er mich die nächsten zwei Wochen kaum in seine Nähe gelassen hat. Kein Sex, kaum Kuscheln und meist hat er mich unter fadenscheinigen Gründen nach Hause geschickt. Irgendwann habe ich eine Packung Kondome aufs Bett geworfen und ihn gefragt, ob er wirklich denkt, dass das alles ist, woran ich denke. Wir haben uns gestritten, uns umarmt und sogar ein bisschen geheult. Das Schlimme war, dass er mich so gut durchschauen konnte. Er weiß, dass es eine Zeit gab, in der ich mir genau diese Art von Partnerschaft gewünscht habe. Ohne Kondome… dieses echte und besondere Gefühl von Liebe und Vertrauen. Aber dieses idealisierte Bild wurde doch schon längst durch das, was Fabian und ich haben, abgelöst. Ich hatte niemals das Gefühl, dass das Kondom ein Fremdkörper wäre. Auch wenn wir eine zeitlang diese extradickwandigen benutzt haben. Mit Fabian zu schlafen ist das, was ich will. Das Kondom gehört dazu. Bis der Arzt mit uns über den Schutz durch Therapie geredet hat, habe ich keine Sekunde darüber nachgedacht, dass es anders sein könnte. Ich hatte auch nicht verdient, dass mich Fabian so
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