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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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stehen, um das Chaos in Augenschein zu nehmen.
    »Ich weiß, Dad.«
    »Irgendwann musst du Ordnung schaffen, Kyle.«
    »In meinem Verstand herrscht Ordnung.«
    »Für Genies herrschen andere Gesetze?« Er schlug seinem Sohn erneut auf die Schulter.
    Kyle zuckte zusammen. Myron ging mit schwingendem Pferdeschwanz vor ihm her, schaltete Lampen ein, verharrte, um einen Stapel Post auf einem Onyxtisch durchzusehen, und schob ihn wieder zusammen.
    Ein gewölbter Kalksteindurchgang führte uns in einen riesigen sechseckigen Raum, auf dessen Rückseite eine Flügeltür aus Glas den Blick auf eine subtil beleuchtete, formal angelegte Gartenanlage gestattete. Die Bäume, unter denen Tanya sich versteckt zu haben erinnerte, waren chinesische Ulmen und amerikanische Platanen, die beschnitten und dennoch üppig waren. Ein zwanzig Meter langer Swimmingpool, der so alt war, dass er ein Sprungbrett hatte, reflektierte den waffelartigen Umriss einer Gartenlaube aus Gitterwerk. Ein Bartresen mit Wasseranschluss am westlichen Ende des Raums bot genug Flaschen auf, um ein Kreuzfahrtschiff auszustatten.
    Myron Bedard ging direkt zur Bar und hielt dort inne, um mit noch ein paar Lampen herumzuspielen - ein, aus, gedimmt, stärker gedimmt, heller. Als die Umgebung von einem tiefen Orangeton geprägt war, gab er sich zufrieden, suchte ein Old-Fashioned-Glas aus Kristall, hielt es hoch und kniff die Augen zusammen.
    Kyle war in der Nähe des Eingangs stehen geblieben. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er wie ein Haus-besetzer ausgesehen. Ein Zwei-Tage-Bart unterstrich diesen Eindruck. Wenn man das üppige Ambiente betrachtete, passten Milo und ich vermutlich nicht besser hierher.
    Der Raum war größer als die meisten Wohnungen, die Wände mit blutroter Shantung-Seide behängt. Das Deckengewölbe war eine Orgie von Gipsschnörkeln, die von langen Deckenfriesen unterbrochen wurden. Auf Kirschholzständern fanden sich chinesische Pferde und Kamele und verwundert aussehende Gottheiten, die alle die gleiche grüngoldene Glasur aufwiesen.
    Vergoldete Schaukästen mit Gläsern, Porzellan und Silberwaren und ausreichend Platz für drei große Sitzgruppen und eine entsprechende Zahl von Perserteppichen. Damastsofas, mit Tapisserie bezogene Sessel, ein paar Lederteile zur Auflockerung hinzugefügt, strategisch platzierte Tische mit Einlegearbeiten.
    Myron Bedard öffnete einen silbernen Eisbehälter. »Möchte jemand einen Drink?«
    »Nein danke.«
    »Ebenfalls.«
    »Dann trinke ich allein.« Er mixte sich einen Manhattan on the rocks, schlenderte ihn schlürfend zu einem der Sofas hinüber, ließ sich hineinfallen, streifte die Slipper ab und lehnte sich nach hinten.
    Ein größerer Schluck von seinem Cocktail veranlasste ihn, einen Daumen hochzustrecken und einen zufriedenen Seufzer von sich zu geben. »Ich habe diesen Stoff gerade entdeckt - Knob Creek, der Spitzenwhiskey von Jim Beam. Der beste, den sie im Flieger hatten, war ein Wild Turkey, und dabei handelte es sich um eine Gulfstream.«
    Er leckte sich die Lippen, holte die Maraschinokirsche heraus, zerbiss sie, wischte sich scharlachroten Saft vom Kinn und schluckte. »Warum stehen alle?«
    Milo und ich setzten uns ihm so nahe, wie die Einrichtung gestattete. Kyle zögerte einen Moment, bevor er sich weit entfernt von uns allen niederließ.
    »Ach, komm schon, Kleiner«, sagte Myron, »es ist Monate her«, und winkte ihn näher zu sich. Kyle kaute auf seiner Unterlippe und entschied sich für einen Sessel, der quer zu Myrons Sofa stand.
    »Erzählen Sie doch mal zu Beginn, wie die Beziehung zwischen Mary Whitbread und Lester Jordan aussah«, sagte Milo.
    Keiner der beiden Bedards antwortete. »Ist hier auf einmal die große Schüchternheit ausgebrochen?«
    »Ich vermute, ich sollte diese Frage in Angriff nehmen«, sagte Myron.
    »Wie kommst du denn darauf, Dad?«, sagte Kyle.
    »Vielleicht solltest du dich um deine Tabellen kümmern, mein Sohn.«
    »An den Kindertisch?«
    »Kyle, ich habe dich nie abgeschirmt, aber manche Dinge werden besser mit Diskretion behandelt.«
    »Ich bin mir über alles im Klaren, Dad.«
    »Tu mir den Gefallen, mein Sohn.«
    Kyle rührte sich nicht vom Fleck.
    »Es ist eine Frage des Anstands, Kyle«, sagte Myron.
    Kyle spielte mit seinem Schuh. Die Spitze hatte einen Riss.
    »Ist das jetzt der angesagte Stil?«, fragte Myron. »Affektierte Armut?«
    »Mir ist scheißegal, was angesagt ist, Dad.« Ein Anflug von Weinerlichkeit schlich sich in die

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