Post Mortem
Essen war großartig, die Weine waren vollmundig, und als wir um halb zwölf gingen, fühlte ich mich, als könnte ich Bäume ausreißen.
Wir waren im Schlafzimmer und wollten gerade ins Bett schlüpfen, als das Telefon klingelte.
»Hab ich dich geweckt?«, fragte Milo.
»Das setzt voraus, dass ich schlafe.«
»Ich würde dich nicht belästigen, aber das Leben ist gerade kompliziert geworden.«
Der Hollywood Boulevard nach Mitternacht bestand aus schmuddeligen Bürgersteigen, einem nächtlichen Dunstschleier, der Neonlichter in Fettflecken verwandelte, während die Touristen sich zurückzogen und Kobolde, Fledermäuse und Ghule aus ihren Verstecken krochen.
Klubs, deren Fensterläden den ganzen Tag geschlossen waren, zogen scharenweise hohläugige Kids und diejenigen an, die sich an ihnen bereicherten. Rausschmeißer voll Adrenalin hielten nach Ärger Ausschau. Nächtliche Typen jenseits aller Kategorien lungerten am Rand der Menge herum.
Ich schaffte es bis zur Hälfte der Cherokee, bis die Absperrungen des LAPD und der uniformierte Polizist, der den Auftrag hatte, sie zu bewachen, mich zum Stehen brachten.
Milos Name veranlasste ihn zu einem Starren und einem Nicken und dann zu einer gedämpften Unterhaltung mit einem Funksprechgerät. »Parken Sie auf der Seite, Sir, und gehen Sie zu Fuß weiter.«
Ich eilte zu dem backsteinfarbenen Haus. Petra hatte es ockergelb genannt. Das Auge einer Malerin. Die Dunkelheit verlieh dem Stuck eine stumpfbraune Schattierung.
Der Uniformierte an der Glastür winkte mich herein. Milo stand ein Stück weiter im Hausflur neben einer offenen Tür und sprach mit einer dünnen Rothaarigen, die so couragiert war, eine Fußballerfrisur zu tragen.
An ihrem Revers hing ein Abzeichen des Leichenbeschauers. Investigator Leticia Mopp. Milo stellte sie mir trotzdem vor.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, sagte sie und wandte sich wieder ihm zu. »Die Totenstarre ist schon wieder abgeklungen. Wollen Sie ihn sich noch mal ansehen, bevor wir ihn einpacken?«
»Warum nicht?«, sagte Milo. »Ich war schon immer ein bisschen sentimental.«
Mopp blieb stehen, und wir durchquerten ein Wohnzimmer, das etwas von einer Giftmülldeponie hatte. Die wenigen sauberen Oberflächen waren mit Fingerabdruckpulver bestäubt.
Petra Connor stand unmittelbar vor einem beengten grauen Badezimmer im hinteren Bereich. Die gertenschlanke Frau mit der elfenbeinfarbenen Haut und den dunklen Augen hatte wie üblich einen schwarzen Hosenanzug an.
Das farblich zum Hosenanzug passende kurze Haar war zu einem glänzenden Keil geschnitten.
Neben ihr stand noch ein Detective aus Hollywood, den ich nicht kannte und der jünger war als sie.
»Hey, Alex«, sagte sie. »Sieht ganz so aus, als strömte schließlich doch alles zusammen. Das hier ist Raul Biro.«
Biro war stämmig und breitschultrig, trug einen beigefarbenen Anzug, ein braunes Hemd und eine gelbe Krawatte. Er lächelte und nickte.
»Ich würde gern mit euch plaudern, Jungs«, fuhr Petra fort, »aber für uns gibt's hier im Moment nichts mehr zu tun. Wir unterhalten uns morgen, Milo?«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Der erste neue Fall in dreizehn Monaten«, sagte sie. »Ich dachte, ich vermisse die Aufregung, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Raul hat allerdings nichts dagegen, stimmt's?«
»Ich brauche die Erfahrung«, sagte Biro.
Die beiden brachen auf, und Milo winkte mich ins Bad.
Lester Jordan saß zusammengekrümmt auf der Toilette und trug einen blaugrünen Frotteebademantel, der offenstand und einen teigigen, schwer gezeichneten Körper entblößte. Sein Kopf hing herunter. Die Aufschläge des Bademantels umschlossen seinen Hals. Eine Aderpresse aus Gummi an seinem linken Oberarm ließ Adern hervortreten, die so verdreht waren wie ein alter Gartenschlauch. Auf dem verdreckten Fliesenboden zu seiner Rechten blitzte silbern eine Spritze.
Kein Eigenfabrikat; das hier war eine Wegwerfspritze von Krankenhausqualität, blank, glänzend und leer. Hinten auf dem Spülkasten lag das Drogenbesteck aus Löffel und Feuerzeug neben einer leeren Plastiktüte.
»Nach all diesen Jahren setzt er sich eine Überdosis?«, fragte ich. Milo zog sich Handschuhe an. Vorsichtig, fast zärtlich, er griff er Jordans Kinn und hob den Kopf des toten Mannes an.
Um Jordans Hals lag noch eine Aderpresse. Ein weißes, geflochtenes Seil, das derart fest zugezogen war, dass es fast im kalten Fleisch verschwand. Hinten dreifach verknotet, und der Farbton
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