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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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zu fragen.
    Sie zuckte mit den Schultern und lächelte matt.
    »Wann habe ich jemals erfreuliche bekommen?«, bemerkte sie bitter, und Stifter wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Deshalb wollte er schnell auf ein anderes, unverfängliches Thema lenken und kam in einer ersten Eingebung auf den Rentner aus Frankfurt zu sprechen, den Noah gestern ins Haus hatte gehen sehen.
    »Sie haben Besuch?«, fragte Stifter nett und schämte sich gleichzeitig, weil ihn das überhaupt nichts anging.
    Annette von Rechlin sah ihn ehrlich überrascht an. »Besuch? Wie kommen Sie denn darauf?«
    Und Stifter, der in ihrem Gesicht die pure Ahnungslosigkeit herauslas, wollte im Boden versinken vor Scham.
    *
    Er fühlte sich unverwundbar. Die Hitze, die schlechte Luft im Keller, seine trockene Kehle und das nagende Hungergefühl im Bauch – all das änderte nichts daran, dass er jetzt wusste, wie stark er war. Er würde als Sieger aus der Sache hervorgehen, das hatte sich ja gestern bewiesen. Seine bloße Gegenwart, seine Physis und mentale Stärke waren in der Lage, den Gegner zu Boden zu strecken. Er war ein geiler Typ, er war ein Macher, er war auf der Siegerstraße. In den wenigen Phasen, in denen er weggedämmert war, hatte er sich eingebildet, dass diese Gefangenschaft ihm als Prüfung auferlegt war. Und wenn er sie bestehen würde, würde er wie Phönixaus der Asche steigen und die Welt beherrschen. Seine Welt. Er wäre allmächtig. Wenn er klar war und analytisch über seine Lage nachdachte, wusste er natürlich, dass das nichts anderes war als seine Phantasie, reine Wunschvorstellung. Aber als die Sache mit dem Rentner gestern passiert war, hatte er triumphiert. Vielleicht war ja doch was dran. Er war »The Brain«.
    *
    Jetzt traute sie sich nicht mehr in den Keller hinunter. Sollte er doch verrecken. Gudrun von Rechlin war die Lust an Rache vergangen. Für den Moment. Sie saß oben im ersten Stock ihres Hauses und hatte Angst. Das hätte alles nicht passieren dürfen. Es war vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Wieso bloß waren sie damals auf die Idee mit der Entführung gekommen? Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie hatte diesen Menschen da unten sitzen, und sie wusste nicht, was sie mit ihm anstellen sollte. Er war wehrlos, aber dennoch fürchtete sie sich vor ihm. Sie hatte ihm bis zu dem Zeitpunkt, als Julius ihn hierhergebracht und ihm im Keller den Sack vom Kopf gezogen hatte, noch nie gesehen. Sie war überrascht gewesen, wie jung er gewirkt hatte, wie gepflegt und durchtrainiert sein Körper gewesen war. Und sie hatte augenblicklich gedacht, dass sie ihm nie im Leben ihr Geld anvertraut hätte. Wie naiv waren Volkmar und Julius gewesen! Wenn sie allerdings gründlich darüber nachdachte, musste der Verlust für Julius erheblich schwerer zu verschmerzen sein. Er hatte schließlich Geld zu verlieren gehabt. Sein und Beates Geld für die Altersvorsorge. Statt der Rente, die er als Selbständiger ja nicht vom Staat bekam. Und die Absicherung für den Behinderten, Klaus. Julius hatte tatsächlich Vermögen gebildet,im Gegensatz zu ihrem Ehemann. Volkmar hatte mit Geld spekuliert, das er gar nicht gehabt hatte. Sie hatten Hypotheken, ihre Ferienhäuser waren verkauft oder beliehen, auch die Villa. Im Grunde genommen hatte er durch die Anlage, die er bei diesem Hans Günter Heims getätigt hatte, gar kein Geld verloren, sondern noch mehr Schulden aufgehäuft. Die Beraterin von der Bank hatte ihr nach Volkmars Tod dazu geraten, das Erbe auszuschlagen wegen der horrenden Schulden. Das hatte sie getan, auch Annette war ihrem Beispiel gefolgt. Sie hatten kein Vermögen mehr gehabt, sie erhielten auch keine nennenswerte Rente, weil sie beide kaum gearbeitet hatten in ihrem Leben. Aber sie hatte immer gehofft, dass sie die Villa würde halten können. Bis ihr klargeworden war, dass Volkmar auch die Villa beliehen hatte und das Geld in diese »hundert Prozent sichere« Kapitalanlage gesteckt hatte! Und nun stand die Zwangsvollstreckung ins Haus.
    Gudrun warf einen Blick auf den Brief, der auf dem Küchentisch lag. Sie hatte angefangen, einen Brief zu formulieren, in welchem sie darum bat, die Zwangsvollstreckung aufzuheben. Sie wollte und konnte keinen Anwalt damit beauftragen, sie hätte das Geld dafür nicht gehabt. Aber sie wollte ihre hoffnungslose Lage auch keinem Außenstehenden darlegen, dafür war sie zu stolz. Deshalb fiel es ihr auch schwer, den Brief fertigzustellen. Es musste eine andere Möglichkeit geben, die

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