Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
Vom Netzwerk:
Leute schwertaten mit dem Umgang. Damals, nach Klaus’ Geburt, war es ebenso gewesen. Sie hatte nicht zu der fröhlichen Runde der Mütter am Sandkastenrand gehört, die sich über die Fortschritte und putzigen Episoden ihres Nachwuchses austauschten. Im Bekanntenkreis hatte es viele gleich alte Paare mit Kindern gegeben, aber als sie und Julius ein behindertes Kind bekamen, hatte sich ihr Freundeskreis rasch dezimiert. Beate hatte sogar Verständnis dafür. Es musste schwer sein für Menschen mit gesunden Kindern. Wie sollten sie sich verhalten? Sie konnten nicht ungezwungen über ihren Nachwuchs sprechen, sie schämten sich gegenüber den Klingers mit ihrem Klaus, der noch mit sechs eine Windel getragen hatte, mit acht nicht richtig sprechen konnte und mit zehn unkontrollierte Schreie ausstieß, um sich schlug und sich von niemandem außer seinen Eltern oder Betreuern anfassen ließ? Die Menschen waren unsicher und beklommen gewesen, darum hatten sie den Kontakt mit Klingers vermieden. Aber sie hatten neue Bekannte gefunden, der Freundeskreis hatte gewechselt, Julius war schließlich ein angesehener Mitbürger, Zahnarzt und in vielen Vereinen aktiv. Aber vor drei Jahren, als sie ihr gesamtesVermögen verloren hatten und Julius in geselligen Runden von nichts anderem mehr gesprochen hatte, war der gleiche Effekt erneut eingetreten. Jede Abendgesellschaft, jede Kartenrunde, jedes Essen war belastet gewesen. Niemand wollte sich mit so viel Kummer und Elend belasten. Julius ging den Leuten mit seiner Klagerei auf die Nerven. Er sah alles schwarz, war durch und durch negativ geworden. Andererseits hatten sie beide auch die Lust an Gesellschaft verloren und sich in ihrem Elend eingerichtet. Beate war immer schon ein häuslicher Typ gewesen, und sie hatte nichts dagegen gehabt, dass ihre Abende darin bestanden, dass sie gemeinsam mit ihrem Sohn vor dem Fernseher saßen. Oder lasen, wenn Klaus an seinen Modellflugzeugen bastelte. Sie hatte dann auf dem Sofa gesessen, die Beine hochgelegt und sich in einen schönen Roman vertieft. Julius hatte am Esstisch gesessen, über der Zeitung und vor sich hin gemurmelt. In letzter Zeit hatte er auch in seinem Arbeitszimmer am Computer gehockt und war im Internet gesurft. Auf der Suche nach Menschen, denen Ähnliches zugestoßen war. Davon gab es eine ganze Menge. Vielleicht hatte er aber auch Geheimnisse gehabt. Beate erinnerte sich, dass Julius hastig Webseiten weggeklickt hatte, wenn sie hereingekommen war, um ihm ein Glas Wein zu bringen oder Salzmandeln. Wahrscheinlich, so schoss es ihr jetzt durch den Kopf, hatte er damals schon nach der Kapsel geforscht. Oder einem anderen Gift, das er sich besorgen konnte, um seinem Leben ein Ende zu machen.
    Auf die Idee zur Entführung des Bankers war er auch durch das Internet gekommen. Beate schien es, als sei das Netz voller Anleitungen zu Verzweiflungstaten. Julius hatte ihr einmal erzählt, dass es sogar Anleitungen zum Bombenbauen zu finden gab, vorausgesetzt, man kannte sich so gut aus, dassman diese Seiten fand. So oft, wie Julius in der letzten Zeit im Internet surfte, musste er auf allerhand gestoßen sein.
    Der Fernsehkrimi ging zu Ende, und Klaus bettelte darum, noch ein bisschen herumzappen zu dürfen. Beate erlaubte es ihm. Sie hatte heute nicht die Nerven, ihm Grenzen zu setzen. Außerdem lenkte das Gebrabbel aus der Glotze sie ein wenig von ihren düsteren Gedanken ab.
    Im Geiste spielte sie immer wieder die Stunde durch, als Julius gestern mit Klaus nach Hause gekommen war bis zu dem Zeitpunkt, als er das Haus verlassen hatte. Hatte er ihr einen versteckten Hinweis gegeben? Deutete etwas darauf hin, dass er einen anderen Plan gehabt hatte als den, zu Gudrun nach Lohdorf zu fahren? Beate war sicher, dass dem nicht so war. Er hatte mit Gudrun telefoniert, dann hatte er Beate mitgeteilt, dass Gudrun Hilfe benötige und er unverzüglich fahren müsse. Je länger sie darüber nachdachte, desto sicherer war Beate, dass sie dort anfangen musste zu suchen. In Lohdorf. Sie würde mit Gudrun von Rechlin sprechen müssen. Vielleicht wusste die etwas, das Julius ihr verschwiegen hatte. Beate trank das Glas in einem Zug aus und fasste den Entschluss, am nächsten Tag nach Bayern aufzubrechen.
    *
    Das Feuer flackerte friedlich, und der Widerschein tanzte an der Wand seiner Holzhütte. Stifter nahm einen kleinen Schluck von seinem mittlerweile lauwarmen Bier und sah zu den Jugendlichen hinüber. Es war Samstagabend, Noah und seine Freunde

Weitere Kostenlose Bücher