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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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Flaschenhals. Es war still im Keller, er hörte seinen Atem. Er ging stoßweise. Nicht ruhig. Er war nicht ruhig. Er war ein Tier an der Kette, er wollte platzen vor Energie. Negativer Energie, die sich aus der Wut speiste.
    »Ich weiß nicht, was auf Sie wartet.« Sie sprach leise und vorsichtig. »Aber so ein Leben. Ganz allein. Niemand, der um Sie weint. Was soll das?«
    »Sie meinen, das Leben ist nur lebenswert, wenn man nicht einsam ist? Was für eine traurige Sichtweise. Mein Leben kann trotzdem erfüllt sein«, konterte er.
    »Meines nicht.« Ihre Antwort kam schnell. Sie nahm wieder einen Schluck direkt aus der Flasche. Ihr Glas war längst leer, und ob er mit ihr trank oder nicht, es interessierte sie nicht. Zum Glück. Er hatte nur einen winzigen Schluck genommen, aber dieser war ihm sofort zu Kopf gestiegen, ausgehungert und unterzuckert, wie er war.
    »Sie haben keine Familie?«, fragte er nach und dachte, natürlich nicht. So unglücklich, versoffen und hässlich, wie du bist.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich war mal verheiratet. Es war nichts.« Sie verzog den Mund. »Für Kinder hat es nicht gereicht. Aber ich wollte auch keine.«
    »Warum nicht?« Nicht, dass es ihn interessiert hätte, aber er musste das Gespräch am Laufen halten.
    Sie sah ihn an, und ihr Blick war entrückt. Sie war unendlich weit weg und tief traurig.
    »Sie haben meine Mutter erlebt.« Damit schob sie sich an der Wand hoch, nahm die Flasche und das leere Glas. »Soll ich es hierlassen?«, fragte sie und nickte mit dem Kinn auf sein noch volles Glas.
    »Bitte. Gehen Sie noch nicht.« Er versuchte, nicht zu flehen, aber er konnte dennoch nicht verhindern, dass seine Stimme einen larmoyanten Unterton hatte. Sie antwortete nicht, ließ das Glas bei ihm stehen, ging zur Tür und legte die Hand auf den Lichtschalter.
    »Warten Sie!« Aber sie hatte bereits gedrückt, und es wurde finster in seinem Kellerraum. Er sah ihre Silhouette im Türrahmen gegen das Licht im Flur, und so, als dunkler Schatten, war ihre Erscheinung erträglich. »Wie heißen Sie?«
    Die Frau hatte die Tür schon ein Stück geschlossen, als sie plötzlich zögerte. Sie schien zu überlegen, ob es klug war, ihm ihren Namen zu nennen.
    »Annette.« Die Antwort klang fast wie eine Frage.
    »Hans«, rief er in den schmalen Spalt, der jetzt noch blieb und durch den ein zentimeterschmaler Streifen Licht fiel, »ich heiße Hans.«
    Die Tür wurde kommentarlos geschlossen, die Geräusche von draußen verschluckt, aber er wusste, dass er einen Pfeiler eingeschlagen hatte. Sie kannte seinen Namen. So jemanden ließ man nicht verrecken.

16.
    Heute hatte Herr Regmaier nicht auf ihn am Wendehammer gewartet. Und Stifter war dankbar dafür. Er war nicht in bester Stimmung, was damit zusammenhing, dass sein »neuer Freund Schorsch« ihn für Spitzeldienste einspannte. So jedenfalls sah Johannes Stifter das. Denn Georg Thalmeier, Mordermittler a. D., sollte sich seiner Meinung nach aus den Vorgängen in Lohdorf heraushalten. Zumal für Stifter keineswegs auf der Hand lag, dass es da Vorgänge gab, die außerhalb des privaten Interesses lagen. Stifter war der festen Überzeugung, dass Noah und sein Freund Luki sich in pubertärem Hormonüberschuss eine krude Geschichte zusammenphantasiert hatten. Natürlich gab es den alten Mann mit dem kranken Auge, aber das belegte den Wahrheitsgehalt der Geschichte mit dem Grab und der Leiche keinesfalls. Der Briefträger ärgerte sich, dass er sich von Thalmeier hatte einspannen lassen und zugesagt hatte, bei den Damen von Rechlin nach Auffälligem Ausschau zu halten. Er hatte schlecht geschlafen, war dann am Morgen viel zu spät zur Arbeit aufgebrochen, hatte aus diesem Grund sein eigenes Fahrrad genommen, anstatt zu Fuß zu laufen – und hatte auf der halben Strecke einen Platten gehabt. Er war in eine Glasscherbe gefahren und hatte sich den Hinterreifen aufgeschlitzt. Das Fahrrad hatte er vor dem Optiker abgestellt, ohne Schloss, das lag noch in seiner Hütte, und war den Rest der Streckezu Fuß gegangen. Während des Briefesortierens hatte er sich ein bisschen beruhigt, die Konzentration auf die Adressen und Postleitzahl gelegt. Die Wiederkehr der immer gleichen Hausnummern und Namen hatte etwas Kontemplatives, und seine Stimmung hatte sich leicht gebessert.
    Nun stand er nach der halben Tour hier an der Bäckerei am Novalisplatz, und ihm fiel auf, dass es im Vergleich zu den Tagen davor eine Veränderung gab. Er starrte zehn Minuten auf

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