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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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letzten lauschigen Abende, die man im Biergarten verbringen konnte. Kyra hatte von Stifter verlangt, dass er Andreas von zu Hause weglotste, damit sie weitere Festvorbereitungen treffen konnte, und vorgeschlagen, dass die beiden einen Männerabend auf der Wies’n verbringen sollten. Das allerdings hätte Johannes Stifter nicht über sich gebracht. Nicht wegen Andreas, er war gerne mit dem redseligen Schreiner und Familienvater zusammen, sondern wegen des Oktoberfestes. Er war noch nie dort gewesen, aber nach allem, was er davon mitbekam, zog es ihn auch nicht auf die Festwiese. In den zwei Wochen sah man tagsüber die in mehr oder weniger geschmackvolle Tracht gekleideten Männer, Frauen und Kinder vorfreudig zur S-Bahn ziehen. Das war stets ein Anblick, der Stifter mit der bayerischen Lebensart versöhnlich stimmen konnte, aber wenn er die Heimkehrenden abends betrachtete, wenn sie laut grölend oder stumm torkelnd durch Lohdorf liefen,eine übelriechende Spur von Urin und Erbrochenem hinter sich lassend, erfasste ihn die gleiche Abscheu, die ihn auch beim Anblick des rheinischen Karnevalstreibens packte.
    So hatte er sich entschieden, Andreas in den Biergarten zu entführen, und dort saßen sie nun unter von der Miniermotte zerfressenen Kastanien vor ihrem Bier und redeten. Privates sparten sie weitgehend aus, denn in Stifters Leben gab es wenig, das es wert war, besprochen zu werden. Keine Lieben, keine Familie, keine nennenswerten Interessen außer Philosophie und Jazz. Er war keiner, der erlebte, er war einer, der beobachtete. Andreas war in der Hinsicht das genaue Gegenteil von ihm. Er blickte mit nun fünfzig auf ein erlebnisreiches Leben zurück, intensive Liebschaften und eine große Familie, in der es immer etwas gab, über das sich zu reden lohnte. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit waren sich die beiden Männer zugeneigt, und beim gelegentlichen Bier, das sie miteinander tranken, hatten sie eine Schnittmenge gefunden, über die sie heiß diskutieren konnten: Politik. Andreas, als engagierter Grüner, war fest in der Lokalpolitik verwurzelt und sprach leidenschaftlich über Biotopschutz, Radwegerweiterung oder aktiven Startbahnprotest. Stifter war fasziniert davon, wie sich politische Ziele in einer Person verlebendigen konnten, alles, was Andreas sagte und tat, war politisch. Er, Stifter dagegen, war ein belesener Theoretiker, der Schwierigkeiten mit der Umsetzung seiner politischen Überzeugungen ins reale Leben hatte. Just in dem Moment, als Andreas feurig für die Abschaffung des G8-Gymnasiums in Bayern plädierte, wurde an einem Tisch schräg hinter seinem Rücken besonders laut gelacht. Es war ein Tisch mit sechs Männern, die einander in Habitus undKleidung auffallend ähnelten. Alle trugen akkurate Kurzhaarfrisuren, einige gegelt, pastellfarbene oder weiße Oberhemden mit Bügelfalten auf der Ärmeloberseite, teure Uhren mit Gliederarmband, Markenjeans und lederne Slipper. Sie sahen aus wie in die Jahre gekommene BWL-Studenten oder eine Kleinstgruppe Bogenhausener FDP-Politiker. Oder wie die kleinen Brüder des ehemaligen Verteidigungsministers. Mit ihrem präpotenten Gehabe dominierten sie den ganzen Biergarten: In regelmäßigen Abständen brachen sie in ungehemmtes Gelächter aus, um sich kurz darauf lautstark mit ihren Maßkrügen zuzuprosten. Stifter war fasziniert von ihrer ritualisierten Gleichförmigkeit und nickte Andreas nur noch aus Höflichkeit zu, obwohl dessen Rede schon an ihm vorbeiging. Andreas bemerkte, dass Stifter nicht mehr bei der Sache war, und drehte sich um. Er warf einen wissenden Blick auf die Männer. »Arme Schweine«, lautete sein Urteil.
    Stifter musste grinsen. »Das sehen die anders.«
    Andreas hob jetzt auch sein Glas hoch. »Auf die Freiheit!«, prostete er Stifter zu, und dieser ließ den dicken Rand seines Glases dezent an den von Andreas klacken. Er nahm einen Schluck und wischte dann den Schaum von der Oberlippe.
    »Ich will den Job nicht geschenkt haben«, kommentierte Andreas, offenbar immer noch auf die Männer in seinem Rücken bezogen.
    »Welchen?«, fragte Stifter verwirrt nach.
    »Scheißegal. Bei Siemens, bei der Bank, was weiß denn ich. In irgendeinem Konzern halt. Als CEO oder COD oder wie sich das alles schimpft.«
    Stifter zuckte mit den Achseln. »Festanstellung, jeden Monat ein fetter Scheck, Bonuszahlung …«
    »… und ein Arschtritt, wenn du nicht mehr funktionierst«, ergänzte Andreas. »Nein, danke schön, ohne mich.«
    Stifter wollte

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