Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
hatte, das hatte er im Krieg bewiesen. Die Frage war nur, ob er ihr zuliebe so weit gehen würde. Sie würde sich große Mühe geben müssen und zu Kreuze kriechen. Aber schließlich hatte die Aussicht auf Entlohnung ihn bis jetzt in Lohdorf gehalten. Wenn er kein Geld wollte, wäre er schon abgereist.
Gudrun band sich die Schürze um und legte die kleinen Kartoffeln aus ihrem Garten in die Spüle. Sie würde daraus Kartoffelknödel machen. Beim Metzger ein kleines Stück Fleisch kaufen und eine Dose Sauerkraut. Szegediner Gulasch, ein Sonntagsessen. Sogar zwei kleine Flaschen Bier würde sie besorgen. Sie drückte die Schulterblätter zusammen, streckte die Brust heraus und fand, dass der Druck von ihr gewichen war. Sie sah zuversichtlicher nach vorne und begann, die Kartoffeln mit der Wurzelbürste zu säubern.
*
Sie hatte die Zeitung Zeile für Zeile gelesen. Nur die Auslandspolitik hatte sie ausgelassen. Aber über einen entführten Manager hatte nichts dringestanden. Beate Klinger war verwirrt und enttäuscht. Sie hatte vorgestern bei der Polizei angerufen und war das höchste Risiko eingegangen. Bis ans andere Ende der Stadt war sie gefahren! Natürlich wusste sie, dass die Tatsache, dass nichts in der Zeitung stand, keineswegs zu bedeuten hatte, dass nichts passiert war. Vielleicht ermittelte die Polizei schon. Aber war es nicht normal, dass im Fall vermisster Personen die Polizei über die Zeitung die Bevölkerungzur Mithilfe aufrief? Immer wieder standen diese Meldungen in der Zeitung, erst letzten Winter war ein älterer Herr gesucht worden, der dann Wochen später im Eis des kleinen Teichs im Stadtpark gefunden worden war. Gut verdeckt vom Schilf. Das hatte sie tief erschüttert, denn sie war häufig mit Klaus dort gewesen und hatte die Enten gefüttert.
Beate stand vom Küchenstuhl auf und sah zum wiederholten Mal aus dem Fenster, als hoffte sie, dass dort draußen irgendetwas vorgehen müsse, etwas, das ihr zeigte, dass die Dinge in Bewegung gerieten. Sie erwartete, dass ein Polizeiauto vorfahren würde. Ein uniformierter Mann und eine nette Polizistin mit Zopf würden aussteigen, sich forschend umsehen und dann bei ihr klingeln. Beates Blick huschte zu den Plastiksäcken mit Julius’ Sachen, die sie im Flur dicht an dicht nebeneinandergestellt hatte für die Altkleidersammlung. Jetzt begriff sie, dass dies ein Fehler gewesen war, denn wenn man sie befragte, wo ihr Mann war, und sie zugeben würde, dass sie ihn vermisste – könnte man dann nicht falsche Schlüsse ziehen? Aber sie hatte so eine unbändige Wut auf Julius gespürt, nachdem sie die Rechnung für die Handschellen gefunden hatte. Eigentlich war das bigott, das wusste sie selbst. Denn schon die Entführung des Mannes hätte sie nicht billigen dürfen. Aber Julius hatte keinen Widerspruch zugelassen. Er hatte überhaupt den gesamten Plan vor ihr verborgen gehalten, bis er an dem Freitagnachmittag aus dem Haus gegangen war. Erst da hatte er ihr gesagt, was er vorhatte, weil sie ihn auf die braunen Lederhandschuhe angesprochen hatte, die er trug. Lederhandschuhe, bei der Hitze! Er hatte ihr hingeworfen, dass er die Sache nun selbst in die Hand nähme. Dass er sich von Heims nicht länger an derNase herumführen lassen wolle. Und dann hatte er Klaus gerufen.
Beate setzte sich wieder auf den Küchenstuhl, starrte auf die geputzten Schnippelbohnen und umklammerte mit beiden Händen ihre Kaffeetasse. Wenn sie jetzt an diesen Tag zurückdachte, spürte sie erneut kalte Wut und Machtlosigkeit. Die gesamten fünfzig Jahre ihrer Ehe hatte sie sich dreingefügt. Sie hatte Julius’ Entscheidungen über Wohl und Wehe ihrer Familie immer mitgetragen. Sie hatte alles, was ihr Mann entschieden hatte, für die richtige und beste Entscheidung gehalten und nie etwas hinterfragt. Aber als er an besagtem Freitag in der Tür stand und ihr klargeworden war, dass er lange Zeit etwas vor ihr verborgen hatte, etwas Monströses, da hatte sie zum ersten Mal innerlich aufbegehrt. Sie hatte Julius angesehen, und er war ihr fremd gewesen.
Am Abend hatte er Klaus nach Hause gebracht, der verstört gewesen war und sich sofort in seinem Bett vergraben hatte. Julius war verschwunden, er hatte ihr lediglich mitgeteilt, dass er zu Gudrun nach Lohdorf fahren werde. Am kommenden Tag war er wieder da gewesen, erschöpft und wortkarg. Erst am Abend hatte er ihr erzählt, dass er den Banker mit Klaus’ Hilfe überwältigt, mit Chloroform aus seiner Praxis betäubt und dann im
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