Power and Terror
langen Geschichte sind die imperialen Mächte von solchen Greueltaten weitgehend verschont geblieben. Die Verbrechen spielten sich immer anderswo ab, jahrhundertelang.
Als etwa die Japaner in China wüteten, gab es, soweit mir bekannt ist, keine terroristischen Angriffe der Chinesen auf
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Tokio. Das ist mit dem 11. September anders geworden.
Besonders überraschend ist es jedoch nicht. Ich hatte schon vorher über solche Möglichkeiten Vorträge gehalten und Artikel geschrieben, und die technische Literatur ist voll von Beispielen.
Es liegt auf der Hand, daß die moderne Technologie kleine Gruppen, auch wenn sie nicht über besonders ausgefeilte Mittel verfügen, dazu befähigt, großes Unheil anzurichten. Denken wir nur an den Gasanschlag in Japan.1
Dergleichen ist seit Jahren bekannt, und man konnte, wenn man aufmerksam war, genug Hinweise finden. Schon lange vor dem 11. September wiesen US-amerikanische Fachzeitschriften darauf hin, daß es nicht allzu schwierig wäre, in New York eine Atomexplosion auszulösen. Unglücklicherweise gibt es auf der Welt Zehntausende von Nuklearwaffen, die frei verfügbar sind, und auch die Komponenten für die Herstellung solcher Waffen lassen sich beschaffen. Anleitungen für den Bau einer kleinen
»dreckigen Bombe« mit einer Sprengkraft wie der von
Hiroshima muß man nicht lange suchen. Die Informationen darüber sind alles andere als geheim. Und eine Hiroshima-Bombe in einem New Yorker Hotelzimmer wäre nicht
besonders komisch.
Es wäre im übrigen kein Problem, sie dort zu plazieren.
Vermutlich könnte man, selbst wenn man nur begrenzte Fähigkeiten hat, alles Erforderliche über die kanadische Grenze in die USA einschmuggeln. Die Grenze wird nicht bewacht und kann auch nicht geschützt werden. So etwas kann durchaus in nächster Zukunft geschehen, wenn wir mit den Problemen nicht vernünftig umgehen, d. h. herausfinden, wo ihre Ursachen liegen.
Es nützt ja nichts, in Wehgeschrei auszubrechen. Wenn man ernsthaft weitere Untaten verhindern will, muß man erkennen, wo ihre Wurzeln liegen. Fast jedes Verbrechen, sei es ein gewöhnlicher Raubüberfall oder ein Krieg oder was auch immer, besitzt einige Elemente von Legitimität, die man in
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Erwägung ziehen muß. Das gilt für die Straßenkriminalität ebenso wie für die Kriegsverbrechen einer aggressiven Macht.
Manche Leute, die so etwas hören, beschuldigen Sie, ein Apologet des Terrorismus zu sein. Was antworten Sie darauf?
Genau das Gegenteil ist wahr. Ich bin kein Apologet. Es ist einfach eine Frage der Vernunft. Wenn es einem egal ist, ob weitere Terrorangriffe stattfinden, muß man sich natürlich auch nicht mit den Ursachen beschäftigen. Wenn man jedoch daran interessiert ist, solche Angriffe zu verhindern, sollte man sich um die Ursachen kümmern. Das hat mit Apologetik nichts zu tun.
Es ist sehr interessant zu sehen, wie diese Kritik funktioniert.
Wenn ich z. B. das Wall Street Journal zitiere, das Gründe nennt, weshalb Gruppen wie die von Usama bin Ladin
Unterstützung finden, werde ich beschuldigt, apologetisch zu verfahren, nicht aber das Wall Street Journal. Das zeigt, worum es den Kritikern geht: Ihnen mißfällt die Kritik an der US-amerikanischen Politik.
Wenn ich mich auf das Wall Street Journal berufe oder freigegebene Geheimdokumente der Regierung zitiere, in denen dieses Problem schon vor vierzig Jahren erörtert wurde, bin ich der Apologet, nicht aber die Zeitung oder der Nationale Sicherheitsrat. Diese Kritiker empfinden Nonkonformismus und Ungehorsam als bedrohlich. Aber den Versuch, Ursachen und Motive für ein Verbrechen gleich welcher Art, als Apologie dieses Verbrechens zu interpretieren, ist einfach kindisch.
Sie haben die Hiroshima-Bombe erwähnt. In den USA wird, anders als in Japan, der Schauplatz des Angriffs auf das World Trade Center als » Ground Zero « bezeichnet.
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Genau.
Japaner, die den Angriff auf Hiroshima und Nagasaki erlebt haben, hören das mit sehr gemischten Gefühlen. Können Sie das nachvollziehen?2
Interessanterweise denkt hier [in den USA] niemand darüber nach. Hören Sie sich um. Ich habe in der Presse und den umfangreichen Kommentaren zum Angriff keinen einzigen Hinweis darauf gefunden. Es ist aus dem Bewußtsein der Leute einfach verschwunden.
Aber dieser Ausdruck …
Natürlich kommt er daher. Keine Frage. Es fiel mir sofort auf.
Darum ruft er in den Menschen etwas wach.
Das verstehe ich. Aber hier ist das anders, weil es hier so
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