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Power and Terror

Power and Terror

Titel: Power and Terror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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Staaten schon 1950 begonnen, und von 1954 bis 1960 unterstützten sie in Südvietnam ein faschistisches Regime, dem sechzig- bis siebzigtausend Personen zum Opfer fielen. Aber es gab keine Proteste. Nichts.
    Kennedy eskalierte den Krieg, und schon bald gab es die ersten direkten Angriffe, aber immer noch keine Proteste.
    Damals konnte man niemanden dazu bringen, eine Petition zu unterschreiben. Keiner wollte zu einer Versammlung kommen.
    Wir – ein paar Studenten und andere Interessierte –
    organisierten Meetings zum Vietnamkrieg. Aber wir mußten mindestens ein halbes Dutzend Themen auf die Liste setzen, also nicht nur Vietnam, sondern auch Venezuela, den Iran usw., und wenn wir Glück hatten, war die Zahl der Zuhörer größer als die der Organisatoren.
    Erst 1965 oder 1966 wurde Vietnam zum allgemeinen
    Gesprächsstoff. Aber Proteste wurden immer noch mit
    unverhohlener Feindseligkeit betrachtet. Nehmen wir Boston, 18
    hier in Massachusetts. Das ist eine ziemlich liberale Stadt, aber öffentliche Kundgebungen gegen den Krieg waren undenkbar.
    Sie wurden mit Gewalt aufgelöst. Nur eine Hundertschaft der Staatspolizei konnte die Redner davor bewahren, umgebracht zu werden. Und die liberalen Medien lobten die Angriffe auf die Demonstranten.
    Sogar in Kirchen wurden unsere Versammlungen gewaltsam gestört, z. B. in der Arlington Street Church mitten in Boston.
    Auch hier mußte uns die Polizei schützen, sonst wären unsere Gegner eingedrungen und hätten uns gelyncht. Die Kirche wurde beschmiert, und niemand fand etwas dabei. Es war in Ordnung, das zu tun.
    Ich weiß noch, wie meine Frau mit unseren beiden Töchtern, die damals noch klein waren, zu einer Protestveranstaltung von Frauen ging. Eine ganz harmlose Sache, niemand warf mit Steinen. Die Leute machten einen Protestmarsch mit den Kindern, und zwar in Concord, einem ruhigen Vorort, wo die obere Mittelschicht wohnt. Sie wurden angegriffen; die Leute warfen mit Dosen und Tomaten und dergleichen. Auch das war in Ordnung.
    Erst Ende 1966, fünf Jahre nach Kriegsbeginn, veränderte sich die Haltung allmählich. Die öffentliche Opposition wurde größer. Aber mittlerweile wüteten schon Hunderttausende amerikanischer Soldaten in Südvietnam, und der Krieg wurde auf ganz Indochina ausgedehnt. Und bis heute weiß niemand, wieviele Menschen starben, weil keiner die Opfer gezählt hat.
    Bezeichnend ist vor allem, daß wir immer noch nicht wissen, welchen Preis die Vietnamesen für den Krieg zahlen mußten.
    Was die USA angeht, so wissen wir ganz genau Bescheid und suchen weiterhin nach den sterblichen Überresten von US-Piloten. Doch ist unbekannt, wie viele Vietnamesen gestorben sind oder heute noch an den Kriegsfolgen sterben. Die Schätzungen differieren um Millionen. Aber wenn man andere Völker abschlachtet, interessiert einen so etwas nicht.
    19
    Vor einigen Wochen gab es einen Aufmacher in den US-
    Zeitungen. Wissenschaftler hatten herausgefunden, daß man
    »dreckige Bomben« bauen kann – Bomben, die viel Strahlung abgeben, aber keine große Explosivwirkung haben. Wenn man die irgendwo in New York versteckt, würde es, so haben sie berechnet, nicht viele Tote, aber viele Erkrankungen geben, was zu einer Massenpanik führen könnte. Eine schreckliche Geschichte, gerade richtig für die Titelseite.
    Am selben Tag fand in Hanoi eine Konferenz statt, an der auch führende US-Wissenschaftler teilnahmen, die über Dioxin geforscht hatten, den Hauptbestandteil des Entlaubungsgifts Agent Orange. Die Konferenz beschäftigte sich mit den Auswirkungen der chemischen Kriegführung auf Südvietnam; dem Norden war das zum Glück erspart geblieben. Ein
    Wissenschaftler hatte in verschiedenen Gebieten des Südens den Dioxingehalt gemessen.
    Viele Vietnamesen, die dem Gift direkt ausgesetzt gewesen waren, wiesen Werte auf, die hundertmal so hoch waren, wie in den USA zulässig ist. Und oftmals handelt es sich um junge Menschen, um Kinder. Die Auswirkungen können beträchtlich sein, vielleicht gibt es Hunderttausende von Opfern. Das wiederum wurde in den US-Zeitungen kaum erwähnt.
    Ich bat einen Freund, per Computer Daten zu recherchieren. Er fand einige Artikel hier oder dort, mehr nicht. Doch es war unsere Kriegführung, mit chemischen Waffen und zahllosen Opfern. Dagegen steht ein Bericht, daß ein paar Bomben in New York möglicherweise ein paar Tote zur Folge haben könnten, auf der Titelseite.
    Das ist der Unterschied, der uns sagt, welche Opfer wichtig sind und

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